Marano Lagunare

Marano Lagunare: Fahrt in eine andere Welt

Marano wie? So ähnlich tönt es, wenn ich von dem Fischerdörfchen in Friaul-Julisch Venetien erzähle. Antworte ich dann, dass es zwischen Grado und Lignano liegt, sehe ich Staunen. Vielleicht liegt das eher unentdeckte Dasein von Marano Lagunare daran, dass seine Landfläche klein ist im Vergleich zu seiner Ausdehnung in der Lagune.

Mit seinen nicht einmal 2000 Einwohnern nimmt Marano Lagunare auf der Ausflugslandkarte der Friulaner selbst keinen großen Platz ein. Dabei ist es eines der letzten hübschen Fischerdörfer. Es hat malerische, venezianisch anmutende Gässchen – blumengeschmückt wie bei Cousine Grado – und eine weitläufige Piazza. Ein wenig fühlen wir uns wie auf der Fahrt in eine andere Welt. Dabei verfügt der Ortskern über eine Vielzahl an Bars für ein gepflegtes Getränk und guten Trattorie, in denen das Speisenangebot sich eindeutig auf Fisch konzentriert. Aber auf anderes hätte man hier gar keine Lust, oder?

Fischen und feiern

Ein Spaziergang führt unweigerlich Richtung Hafen, der Ort wird dominiert von den Fischerbooten, die für uns nicht harte Arbeit bedeuten, sondern Genuss verheißen. Trotz seines Romantik-Auftritts hat es Marano Lagunare wirtschaftlich faustdick hinter den Kiemen: Die Gemeinde zählt 240 Fischereibetriebe und ist damit der größte Fischereihafen Friaul-Julisch Venetiens.

Die heimischen Fischer veranstalten alljährlich im August ein mehrwöchiges Fest, wo es dann schon ordentlich voll werden kann. Im Mittelpunkt von „Fasolari in festa“ stehen zwar die namensgebenden rosafarbenen fasolari, auf Deutsch „Glänzende Venusmuscheln“. Doch natürlich finden sich auch andere Meeresspezialitäten auf der Speisekarte.

Nico und das Battello Santa Maria

Darüber hinaus gibt es in Marano Lagunare die Tourismusschifffahrt, etwa bei Capitano Nico Pavan. Mit ihm und dem blitzweißen Motorschiff Battello Santa Maria – mit Platz für bis zu 120 Personen – geht es regelmäßig in die Lagune. Nico besuchte einst das „Istituto Tecnico Trasporti e Logistica Venier“ in Venedig, eine führende Seefahrtsschule. Nach einigen Jahren kam er zurück in heimatliche Gefilde und arbeitete in den Naturschutzgebieten Foci dello Stella und Valle Canal Novo. Seit 2008 bietet er beinah das ganze Jahr über die „etwas anderen“ Bootsfahrten an.

Lauschige Abende, knackig-frische Wintertage

Die Touren tragen klingende Namen: Im Sommer bringt das Battello die Gäste unter dem Motto „Laguna Jazz“ vor die nächtliche Kulisse Lignanos – musikalische Gustohappen vereint mit einem stimmungsvollen Abendessen an Bord. Die Tour mit historischem Schwerpunkt führt nach Aquileia, das ja einst bedeutender römischer Flusshafen war.

Besonders stimmungsvoll sind die winterlichen Touren durch die Lagune von Marano bis zur Einmündung des Flusses Stella und damit in ein Naturjuwel der besonderen Art. Kulinarisch heißt es dabei: „Laguna in tecja“. Die tecja ist im Friulanischen die „Rein“, also ein traditionelles Küchenbehältnis. Und dieses, so viel kann ich verraten, ist immer gut gefüllt mit paradiesischen Köstlichkeiten. Selten sind sich also Natur und Kulinarik so nah wie hier.

Ferne Hotelbauten, nahes Naturparadies

Ich bin schon zum dritten und sicher nicht letzten Mal mit an Bord. Das Battello Santa Maria nimmt zunächst die Wasserstraße Richtung Lignano, es ist alles gut beschildert. Vor dem Bug am milchig-grauen Horizont räkelt sich die Skyline von Lignano Sabbiadoro mit den in den Himmel ragenden Hotelbauten.

Der Blick zurück zeigt die sich rasch entfernende schmucke Torre Millenaria von Marano. Der Campanile stammt aus dem Jahr 1031 und ist damit ein fast 1000-jähriger Zeuge historischer „nachhaltiger“ Baukunst, errichtet vermutlich von Popone, dem Patriarchen von Aquileia. Richtung Norden die Bergkette der Karnischen Alpen. „Das ist das Besondere an Friaul. In einer Stunde von den Bergen in die Lagune. Wo gibt es das sonst noch?!“, macht Nico mitten auf dem Wasser Lust auf sein Land. Das Gemeindegebiet von Marano liegt übrigens nur zu nur 5 % auf dem Festland und zu 95 % auf dem Wasser!

Besonderer Lebensraum Lagune

Auffällig sind die breiten Gürtel aus Schilfrohr cannuccia palustre –, ein wichtiger Rastplatz für Zugvögel auf dem Weg von Skandinavien nach Afrika und wieder zurück. Die einmal höheren und einmal niedrigeren Pflanzen geben unseren Fahrweg vor. Fachleute erkennen an der Wuchshöhe, ob Salz- oder Süßwasser vorherrscht. Wir schippern in einem besonderen Gewässer: Die Lagune ist kein See, aber auch kein Meer. Hier vereinen sich Fluss und offenes Meer zur acqua salmastra, dem Brackwasser, und bilden so einen wertvollen Lebensraum für Fische, Wasservögel und Wasserpflanzen.

Die Lagune von Marano ist seit 1979 ein sogenanntes Ramsar-Schutzgebiet und damit von internationaler Bedeutung. Von etwas mehr als 600 Fischarten, die es in Italien gibt, leben mehr als zwei Drittel hier in Marano. „Der wahre Reichtum der Lagune ist die Biodiversität“, betont Nico. Und setzt nach: „Die Magie der Natur!“

Tamarisken und Casoni

Um die flache Lagune vor der Naturkraft der einmündenden Flüsse zu schützen, hat man Dämme gebaut: Diese erkennen wir an den Reihen aus Tamarisken, die dort Wind und Wetter trotzen. In der Maraneser Lagune gibt es noch etwa 45 Casoni. Die niedrigen Häuschen stehen auf kleinster Landfläche und sind nur über den Wasserweg erreichbar. Gedeckt und oft ummantelt mit dem allgegenwärtigen Schilfrohr, waren sie früher einfachste Fischerhütten. Frühmorgens ruderten die Männer aus Marano mit ihren battele, den flachen Lagunenbooten herbei. Dann gingen sie den ganzen Tag dem Fischfang nach – und ruderten abends wieder zurück. Ein hartes Brot. Motorbetriebene Boote gibt es hier erst seit den 1960er-Jahren.

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Der Fisch ist saisonal

Nachdem sich die kulinarischen Gedanken stundenlang nur um eines drehen, nämlich um Fisch, verspricht Nico uns, dass es jetzt bald etwas Salami gibt. Kurzes Innehalten – erleichtertes Lachen rundum. Nico hat abseits seiner Ernsthaftigkeit gerne ein Scherzchen auf den Lippen.

„Der Fisch, den wir an Bord anbieten, hat zum Großteil nie Land gesehen.“ Von Boot zu Boot läuft hier die Lieferkette. Alles superfrisch und grandios appetitlich. Das Menü des jeweiligen Tecja-Ausflugs ist stets einem „Fischthema“ gewidmet, je nachdem, was gerade Saison hat: Mazzancolle (autochthone Mittelmeergarnelen), Aal, Calamari, Cozze, Rombo (Steinbutt) oder sogar seltener Thunfisch. Heute gibt es: Canoce alias Heuschreckenkrebse.

Must-have für Fischliebhaber

Da schwebt auch schon eine ansehnliche Platte herbei … Darf es ein Crostino sein? Mit Baccalà mantecato, Stockfischcreme. Oder eines mit Kürbiscreme, obenauf Sardelle. Gleich kommt auch Prosecco in Karaffen, Wasser, und es gibt gar Bier. Aus der Kombüse folgen: Die zarten Canoce, einmal gekocht mit Rucola und Granatapfelkernen, im nächsten Gang gratiniert. Dann als Boreto mit leichter Kartoffelcreme und in Folge als Linguine alla Busara. Als Krönung gibt es eine „kleine“ (Zitat Nico), unvergleichlich knusprige Frittura mista aus dem frischesten Getier, das die Lagune zu bieten hat: Garnelen, Calamari, Rotbarben, Sardinen, Merlane, eine Art Mini-Seezunge. Alles nach traditionellen Hausrezepten und ohne Chichi zubereitet.

Mithalten bis zum Schluss

Der Himmel über der Lagune ist uns gnädig: Zum Abrunden gibt es ein Stück süße Crostata von der Mamma und Kaffee, an Bord in der original Bialetti-Moka zubereitet. Und wer noch mithält: Zum „Ausspülen“ der Tasse, für den resentin, wird uns bester Grappa aus Aquileia gebracht. Authentisch bis zum allerletzten Menüpunkt.

Zurück an Land braucht es noch etwas, bis sich unsere Beine an den festen Boden darunter gewöhnen. Wir schwanken ein wenig – Richtung Piazza. Die dortigen genussvollen Verlockungen heben wir uns aber fürs nächste Mal auf, jetzt ist beim besten Willen kein Platz mehr.


Meine persönlichen Genusstipps für Marano Lagunare

Genießen in Marano Lagunare

Schifffahrt mit dem Battello Santa Maria. Santa Maria s.a.s. di Pavan Nico & C., Contrada Rialto 15, 33050 Marano Lagunare

Trattoria Alla Nave. Mitten in der lebendigen Restaurantszene von Marano Lagunare liegt die urige Fisch-Trattoria. Ein Besuch hier muss gut geplant werden – einige Monate Wartezeit auf einen Tisch sind einzukalkulieren. Aber das ist es wert: Der Chef ist die wandelnde Speisekarte und er tischt mit Vorliebe herrlichste kalte und warme Fisch-Antipasti, außergewöhnliche Pasta-Kreationen und natürlich Fisch als solches auf. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist auch unüberbietbar. Piazza Marii 9, 33050 Marano Lagunare

Hostaria al Molo. Eher noch jung in der Gastronomieszene, bietet diese Osteria lässiges Ambiente, raffinierte Speisen aus fangfrischem Fisch und die volle Auswahl der hauseigenen Weine (siehe unten). Vor dem Lokal parken die Fischkutter. Riva XXIV Maggio 1, 33050 Marano Lagunare

Vini Bortolusso. Der Familienbetrieb an der Straße nach Marano Lagunare, knapp vor der Lagune, begeistert durch Gastfreundlichkeit, faire Preise und eine große Auswahl an Weinen, die auf 45 Hektar angebaut werden. Es gibt alle wichtigen autochthonen und internationalen Weiß- und Rotweinsorten sowie Spumante in Weiß und Rosé. Samstagsvormittags kann man frei verkosten und dabei den schönen Weinkeller besichtigen. Via Oltregorgo 10, 33050 Carlino


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