Badehäuschen Grado

Grado und das Glück des Gehens

Grado ist das ganze Jahr über ein Genuss: Goldener Sandstrand, zauberhafte Altstadt, faszinierende Natur. Ein richtiger Sehnsuchtsort.

Grado. Allein das Wort auszusprechen reicht aus, um Menschen ein Leuchten in die Augen zu zaubern. Ein Städtchen an der oberen Adria, das auf seine Besucher einen immerwährenden Reiz ausübt. Es ist eine Mischung aus Venezianisch, Altösterreichisch und entschleunigter Italianità. Ein Faszinosum, dem wir hier einmal mehr nähertreten.

Grado, Sandstrand mit Ville Bianchi
Die einzigartige Mischung macht’s aus: goldener Strand, „Stile Liberty“, mediterrane Vegetation.

Wir begeben uns auf eine kleine Reise. Besser gesagt, auf einen Fußmarsch, quer durch die Jahreszeiten. Denn für mich gehört es zu den schönsten Glücksmomenten, die Isola d’Oro, die goldene Insel, auf ungezählten Kilometern aus allen möglichen Blickwinkeln zu betrachten.

Ich bin sie mir im wahrsten Sinn ergangen. In vielen Monaten, nicht gerade bei größter Sommerhitze, aber bei strahlendem Sonnenschein und bei zugigem Winterwind. Die Bora, die wir sonst aus Triest kennen, gibt es schließlich auch hier. Im Frühjahr, wenn die ersten Strandaufräumarbeiten beginnen und im Herbst, wenn die letzten lucertole, die Sonnenanbeter, das Saisonende nicht wahrhaben wollen.

Das Gehen ist mir heilig. Und Grado eignet sich hervorragend als gelobtes Land: Es gibt wenige Orte, wo man so ungezähmt und ungehemmt drauflosgehen kann. Man muss nicht auf den Weg achten, man findet kaum Ablenkung. Der Blick aufs Meer ist hier Programm. Er ist immer anders und wieder aufs Neue schön.

Kilometerlang goldener Sand

Der Sandstrand liegt wie ein goldenes Band vor der Stadt. Gute zehn Kilometer lang. Manchmal ist das seichte Lagunenmeer weit weg in der Ferne, so breit ist er. Man stapft, mit Schuhen oder barfuß, gleich an der Wasserkante. Oder zwischendurch lieber auf der Promenade. Die Badehütten eignen sich außerhalb der Saison als geschützter Platz für eine kurze Rast.

Draußen in Grado Pineta kann es ruhig sein, zu gegebenen Zeiten auch menschenleer. Der Strand ist da und dort übersät von Kunstwerken aus der Natur: Treibholz in verschiedensten Größen und Formen, Muschelschalen, Seegrasbüschel. Allerlei Arten von Gräsern begrünen an manchen Stellen den Sand. Radfahrer, meist gemütlich vor sich hin strampelnd, genießen ebenfalls den Weg als Ziel. Hier geht es nicht um schneller oder weiter. Schon gar nicht um höher.

Näher bei der Stadt, vorbei an der Meerestherme, wird es an der Spiaggia Principale lebhafter. Bars bieten Urlaubsfeeling und dazu guten Caffè. In der Saison kennen wir den Strandabschnitt dicht besiedelt.

Alte Schätze, neue Werte

Im Angesicht von Corona ist vieles anders geworden, wie mir Alessandro Lovato, Hotelier des Grand Hotel Astoria und langjähriger Präsident der Strandgesellschaft G.I.T., erzählt: „Die letzten Jahre haben uns gelehrt, wie viel wir haben, dessen wir uns aber gar nicht bewusst waren.“

Ein Großteil der Gäste in dem Städtchen in der Region Friaul-Julisch Venetien, das architektonisch an Venedig erinnert und zur Provinz Gorizia gehört, kommt traditionell aus Österreich. „Wir fühlen uns den Österreichern ganz besonders verbunden“, sagt Lovato außerdem.

2022 feierte Grado „130 Jahre Badeort“ und 2023 wurde gar eine Spiaggia Sissi mit imperial anmutenden blauweißen Baldachinen bestückt: Heute noch ist Grado also einer der beliebtesten Badeorte an der Adria. Ein richtiger Sehnsuchtsort. Doch wie kam es überhaupt dazu?

Die jüngere Geschichte sagt uns, dass sich Grado durch seine besonderen Luft- und Meerwassereigenschaften einen Namen machte. Damals war es Teil des Habsburgerreiches. Am 25. Juni 1892 erließ Kaiser Franz Joseph I. ein Gesetz, mit dem der Strand offiziell eröffnet und Grado als Bade- und Kurzentrum begründet wurde. Die Thalassotherapie wird bis heute angeboten.

Aus dem einstmals bitterarmen Fischerdorf in der sumpfigen Lagune wurde schließlich ein mondänes Ziel für Gäste aus der k. u. k. Monarchie. Seine schmerzvolle Geschichte als abgeschiedene und dennoch strategisch hart umkämpfte Hafenstadt von Aquileia ließ es würdevoll hinter sich.

Maßgeblich zur Entwicklung als Fremdenverkehrsort trugen österreichische Persönlichkeiten bei. Allen voran Emma Auchentaller, die Anfang des 20. Jahrhunderts die Pension Fortino direkt am Meer errichten ließ. Ihr Ehemann, der Wiener Secessionskünstler Josef Maria Auchentaller, Freund von Otto Wagner und Zeitgenosse großer Jugendstilmaler wie Klimt und Schiele, lebte und arbeitete in jener Zeit ebenfalls in Grado.

Meer und Homeoffice

Die schmucken Jugendstilbauten wie Ville Bianchi, Villa Erica oder Villa Reale begleiten uns, wenn wir in Grado flanieren. Im Frühling ranken sich dort duftende Glyzinien. Gleich in der Nähe, an der Diga, folgt der Stilbruch durch das berühmte Zipser-Hochhaus aus den 1960ern. Mit konkaver Fassade und unbegrenztem Blick über die Lagune. Dieser ist immer ein Genuss. Sommers wie winters, bei Spritzer oder heißer Schokolade, lässt sich dort im Lokal so richtig durchatmen. Ein wenig Meeresfreiheit spüren.

Diese Freiheit wissen wir wieder mehr und anders zu schätzen. „Eine solche schlimme Phase, wie wir sie weltweit erleben, muss Anstoß sein, achtsamer mit unseren wahren Bedürfnissen umzugehen. Dazu bietet Grado, ob für Jung oder für Alt, Meer, frische Luft, Sonne, Sand, Gesundheit, Kultur, regionale Produkte – die besten Voraussetzungen, um sich neu auszurichten. Und zwar nicht nur den Tourismus betreffend. Sondern Tag für Tag“, resümiert Alessandro Lovato.

Grado hat zuletzt gezeigt, dass es für mehr steht als für „Urlaub“. Dank Internet und Homeoffice wurde es für viele ein wunderbarer Platz zum Arbeiten und Leben.

„Es ist der richtige Ort, um gut auf sich selbst zu schauen!“, gibt mir der Grandseigneur des Gradeser Tourismus noch mit auf den Weg. Na, dann haben wir Grado-Liebhaber instinktiv schon etwas richtig gemacht.

Ganzjahresromantik

An jener Stelle, wo wir über die Delfinskulptur hinweg sehnsüchtig den Horizont betrachten, kommt dann jedes Mal der Moment der Entscheidung. Gehen wir auf der Diga weiter? Scheint nach grauen Tagen zu Hause endlich die Sonne und wollen wir sie in vollen Zügen genießen? Oder ist sie schon zu heiß, sodass wir uns lieber in die schattigen Gässchen von Gravo Vecia zurückziehen? Um uns zum x-ten Mal in der eigentlich überschaubaren Anzahl von Möglichkeiten zu verlieren. Und erneut in einer Sackgasse an einer privaten Haustür landen – wo wir uns diesmal so sicher waren …

Wer die Diga, den massiven, schützenden Steinwall vor der Altstadt, wählt, wird häufig durch die romantischsten Sonnenuntergänge belohnt. Sie finden sich dann im Internet wieder. Bei jedem einzelnen geht mir das Herz auf. Und weiter geht’s auf dem „alten“ Strand, der Costa Azzurra, wo in den Wintermonaten die Austernschalen unter den Schuhen knacken.

Von hier lässt sich gut noch ein Sidestep zum alten Hafen machen. Dort liegen die Fischerboote, die nach richtig harter Arbeit aussehen, das Taxiboot in die Lagune, einige Jachten aus aller Herren Länder. Im Winter ist er Schauplatz für die größte aller Gradeser Krippen. Für altes Brauchtum, wenn im Jänner die „Varvuole“, die Meereshexen, anlanden. Ein mystisches Spektakel, das durch die halbe Stadt zieht.

Auf der Brücke

Und dann hatte ich einen Traum, der gar nicht schwer Wirklichkeit wurde. Es brauchte nur den richtigen Moment: Dort, wo man sonst mit dem Auto fährt und sich über das Auftauchen der Grado-Silhouette freut, wollte ich am separaten Geh- und Radweg – gehen.

Zu Fuß über die lange Brücke, die das Festland bei Belvedere mit der Sonneninsel verbindet. Es gibt sie seit 1936, und sie ist eine Drehbrücke, was man nur selten mitbekommt.

Zur Jahrhundertwende kamen die vornehmen Herrschaften aus Wien und anderswoher per Eisenbahn angereist. Allerdings nur bis Cervignano. Dann ging es per Kutsche bis Belvedere und im Ruderboot nach Grado. Ab 1910 gab es in Belvedere einen Bahnhof, dessen traurige Überreste man neben der Straße SR 352 hinter Buschwerk entdeckt.

Auf der Ponte Matteotti, ja, sie hat einen Namen, bekommt man einen etwas anderen Einblick in die Lagune. Ganz ohne Boot und erste Reihe fußfrei. Hin und zurück über zwei Stunden lang. Die große Schirmpinie liegt übrigens nicht in der Mitte, was einen motivieren kann – oder auch nicht. Es kommt auf die Gehrichtung an. Man wähnt sich eingebettet in die Natur zwischen Möwen und Reihern, Schilfrohr und dem scheinbar endlosen Weg vor sich. Wären da nicht die Autos, die – Achtung, Perspektivenwechsel – vorbeirasen und die tiefblaue Idylle stören. Da tröstet mich nur der stille Blick hinüber nach Barbana, auf die kleine Insel mit dem sagenumwobenen Marienheiligtum. Und weil da zwischendurch Sandbänke herausschauen: Übers Wasser gehen würde ich auch noch gern.


Meine persönlichen Grado-Tipps

Essen – Trinken – Einkaufen in Grado

Dolce Isola: Modern eingerichtete Konditorei (Pasticceria). Brioche und Caffè fürs italienische Frühstück. Farbenfrohe kleine Teilchen, die Mignons, verschiedenste Crostate, die traditionellen Mürbteigtorten. Köstliche Biscotti! Und es gibt sogar „Sonnenkekse“ – ein nettes Mitbringsel. Via Caprin 44/46.

Osteria Campiello della Torre: Gepflegte Weinbar. Die Auswahl ist top, die Mitarbeiter sind freundlich und kompetent, drinnen ist es gemütlich. Vom Gastgarten lässt sich relaxed das Geschehen beobachten. Campiello della Torre 7. 

Al Timon: Im familiengeführten Restaurant an der Rückseite der Diga gelegen, schräg gegenüber des Hotel Fonzari bzw. Grand Hotel Astoria, bereitet Chefin Cosetta formidable Fischgerichte zu. Immer einen Tick anders, stets kreativ! Ein Favorit: Pasta alla scogliera! Es gibt auch Pizza. Largo S. Grisogono 6.

Lagunare Commercio Ittico: Wer ein kulinarisches Andenken für zu Hause einkaufen möchte, kann dies im appetitlichen Fischgeschäft tun. Was die Adria eben noch Edles hergibt: Cozze, Mazzancolle (autochthone Garnelen), Branzino (Wolfsbarsch), Coda di rospo (Seeteufel) … Am besten Kühltasche mitbringen. 😉 Piazza XXVI Maggio 26.

Grado-Info

Zwei Websites der G.I.T. GRADO Impianti Turistici S.p.A., die viele Informationen zu Grado auch auf Deutsch bereithalten: www.gradoit.it und grado.it.

Hinweis: Dieser Blogbeitrag wurde zuletzt am 3.8.2023 aktualisiert. Erstmals wurde er am 16. Juni 2020 veröffentlicht.

Fotos: Grado Turismo (2), Andrea Bolzicco (1), alle anderen Nicole Richter


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2 Kommentare

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  1. Bekannte von mir bereisten die Gegend gerade mit dem Vello
    ( Fahrrad ) und waren hell begeistert würde mir auch gefallen