Kaffee

Der schwarze Kaffee-Kult

Kaffee – warum ist er so besonders? Wir trinken ihn täglich, meist mehrmals. Er scheint uns seit ewigen Zeiten vertraut, ein selbstverständliches Stück Alltag, vielleicht auch Highlight in diesem. Und doch, was ist so faszinierend an dem schwarzen, duftenden Getränk?

Viele erinnern sich noch zu gut: In den 1970er- und 1980er-Jahren war Kaffee alles andere als ein Faszinosum. In den Kaffeehäusern keine Aufregung wert. Und selbst gemacht ein eher durchsichtiges bräunliches Getränk, ein „Gschloder“, von dem man höchstens Magenbeschwerden bekam.

Zu jener Zeit hatte der berühmteste Alukapselhersteller der Welt die offenbar richtige Vision und bereitete uns ab Anfang der 2000er-Jahre trautes Glück daheim. Plötzlich konnte ausgezeichneter Kaffee und speziell Espresso auch zu Hause genossen werden. Ohne Barista-Ausbildung, ohne sündteure Kaffeemaschine!

Praktisch gleichzeitig entstand auf der anderen Seite des Ozeans die gastronomische Weiterentwicklung des Kaffees und die Idee schwappte nach Europa über. So kamen, besonders in größeren Städten, amerikanische Einflüsse hinzu, und man bekommt seither Kaffee sogar in allerlei aufgepeppten Varianten – um reichlich Kleingeld.

Heutzutage eröffnet sich dem (fast) perfekten Kaffeegenuss daheim ein anderes Universum.

Es geht Richtung Qualität

Überhaupt erhielt das Kultgetränk Kaffee in den vergangenen Jahrzehnten – ich mutmaße, mit dem steigenden Bewusstsein durch verstärktes Reisen nach Italien – (wieder) einen Turboschub in Richtung Qualität auch bei uns. So kam es, dass sich immer mehr Menschen von der herkömmlichen, bei uns früher am weitesten verbreiteten Zubereitungsart, der Filtermethode, abwendeten. Und nur noch eins wollten: einen ordentlichen, kräftigen, nicht bitteren Kaffee!

Was trinken wir da also, wenn wir uns in der Früh ritualhaft den ersten Kaffee gönnen? Oder uns mit der Freundin oder dem Freund auf einen Kaffee verabreden? Fest steht, mit jedem Schluck nehmen wir ein beeindruckendes Stück Kulturgeschichte in uns auf.

So, wie wir es lieben. Aromatischer, vollmundiger Kaffee in liebevoller Zubereitung!

Wie kam der Kaffee nach Europa?

Ursprung der Kaffeepflanze ist die Kaffa-Hochebene in Äthiopien. Von dort verbreitete sich der Kaffee im 10. Jahrhundert durch jemenitische Händler über den Hafen al-Makkah (von daher das Wort „Mokka“) auf der gesamten arabischen Halbinsel. Wie es scheint, kaute man zunächst die Bohnen und machte aus den Blättern einen Auszug. Der Entdecker des anregenden Getränks aus Kaffeebohnen zu sein, wird einem Sufi-Eremiten zugeschrieben.

Erste Kaffeehäuser gab es jedenfalls bereits im 16. Jahrhundert in Damaskus, später in Konstantinopel. Von dort aus gelangten der Kaffee und die entsprechende Kultur nach Venedig, dem ersten Kaffeehafen Europas! Somit war der Kaffee bereit, die Welt zu erobern. Von hier aus verbreitete er sich zunächst in ganz Italien. Kaffee wurde hoch geschätzt und sogar von Ärzten verschrieben. Verkauft wurde er in „Spezereien“ – und vom Papst legitimiert, so sehr schmeckte er ihm!

Die Wiener Kaffeehauskultur ist zu Recht berühmt: Sie ist ein glanzvoller Ankerpunkt der mitteleuropäischen Kaffeegeschichte.

Es folgten erste bedeutende Kaffeehäuser: 1685 in Wien, gegründet von dem armenischen Kaufmann Johannes Theodat, 1686 das Le Procope in Paris, 1720 das Florian in Venedig. Die Brücke zwischen Ost und West stand somit auf soliden Füßen und bildete eine perfekte interkulturelle Symbiose, würde man heute sagen.

Das Getränk Kaffee war zunächst eine elitäre und männliche Angelegenheit. In den venezianischen Kaffeehäusern, Ende des 18. Jahrhunderts gab es schon 300 davon, wurden Geschäfte abgeschlossen und erste Tageszeitungen gelesen. Ein Fall fürs gemeine Volk wurde Kaffee erst, als der Anbau sich auf weitere Erdteile ausweitete und damit billiger wurde: Mittel- und Südamerika und Indonesien kamen als Herkunftsländer hinzu.

Triest wurde unter der Habsburgerherrschaft (1382–1918) zum wichtigsten Kaffeeimporthafen Mitteleuropas. Eine Vielzahl an Kaffeehäusern entstand, die für uns teils heute noch erste Anlaufstelle bei Ausflügen in den nahen Süden sind. Etwa das Caffè degli Specchi, das Antico Caffè San Marco oder das Antico Caffè Torinese.


Buchbanner Friaul-Julisch Venetien

Die bahnbrechende Kaffee-Technik

Die Technik der Kaffeezubereitung war zunächst geprägt von recht komplizierten oder zeitintensiven Verfahren (wie in der Türkei und in Griechenland noch üblich). Weit verbreitet in Italien war die Caffettiera Napoletana, die nach Befüllen mit Kaffeepulver und heißem Wasser auf den Kopf gestellt wurde (und wird).

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es den ersten Trend zum Espresso. Mehrere Erfinder traten auf den Plan – das erste Patent wurde vom Mailänder Luigi Bezzera im Jahr 1901 angemeldet. Es folgten berühmte Maschinen wie Pavoni, Cimbali, La San Marco, Faema, Gaggia. Marken, die es alle heute noch gibt.

Die geflügelte Espressomaschine mit dem Löwen im Emblem, La Serenissima, ist eine wahre Legende aus Udine. Sie legte den Grundstein für La San Marco, ein Unternehmen, das bis heute existiert und seinen Sitz nunmehr in Gradisca d’Isonzo hat.

Der Kaffeekonsum in Italien fand dank dieser Technologien vorwiegend außer Haus statt. Die zeitlichen Anforderungen aber veränderten sich, das Kaffeetrinken musste rascher vonstatten gehen. So setzte sich das amerikanische System des im Stehen Trinkens durch: Die Bars waren geboren, in denen man an der Theke schnell und unkompliziert einen oder zwei Schlucke Espresso hinunterkippte.

Für den Haushalt hatte sich 1933 Alfonso Bialetti etwas Geniales ausgedacht, das nach wie vor ein Welterfolg ist. Aluminium war die Basis und blieb es beim Originalmodell bis heute. Mit der zeitlosen La Moka Express wurde der Espresso endgültig demokratisch. Jeder und jede konnte ihn zu Hause ganz einfach zubereiten. (Wenn auch, natürlich, ohne die berühmte und beliebte Crema.)

Kaffeegenuss heute

Das alles ist bis in unsere Zeit so oder ähnlich geblieben, trotz weit vorangeschrittener Technologie. Doch gleichzeitig gibt es interessante, kontroverse „Strömungen“ beim Kaffeegenuss: Einerseits sind wieder technisch einfache Systeme wie French Press oder Filter sogar bei Baristas und Specialty-Coffee-Shops total im Trend. Andererseits chromglänzende teure High-End-Espressomaschinen für zu Hause! Es ist hip, sich im Lieblingscafé den Lieblingskaffee zu bestellen. Und es ist genauso gefragt, sich daheim die edelsten Kaffeesorten zu gönnen, aus biologischem Anbau, mit genauer Herkunftsbezeichnung, aus fairer Quelle. Am besten „handgemacht“ in einer kleinen Rösterei.

Betrachtet man den Trend zu Craft Beer oder Bioweinen, scheint es schlüssig, dass wir uns immer stärker für die Qualität und auch die Röstung der Kaffeebohnen erwärmen. Zugegeben, wer von uns „normalen“ Kaffeetrinkern hat sich vor gar nicht allzu langer Zeit darüber je Gedanken gemacht?

Doch gerade diese Ausgangsfaktoren beeinflussen klarerweise das fertige Getränk. Der grüne Kaffee, die richtige Röstung je nach gewünschter Methode (Siebträger, Moka, French Press, Filter etc.), Arabica- und Robustaanteil sind entscheidend für das spätere Geschmackserlebnis.

Die grünen Kaffeebohnen aus biologischem Anbau und besten Lagen, etwa aus Äthiopien, Brasilien oder Guatemala, werden hier sorgfältig und aus Begeisterung (für den Eigengebrauch) geröstet.
Marco Cremonese ist weltweit unterwegs, um mithilfe von Trainings und Beratung das Beste aus Kaffeebohnen herauszuholen.

„Das Rösten selbst ist eine Kunst“, sagt Marco Cremonese, ein italienischer Guru auf dem Gebiet – und international gefragter Consultant für Rohkaffee, Verkostung und Röstung. Und: „Ein guter Röster ist wie ein Koch bei der Zubereitung der Speisen. Er holt aus den Bohnen mithilfe der optimalen Röstkurve das Beste heraus!“ Hinzu kommt dann noch die richtige Lagerung (empfehlenswert ist der Verbrauch binnen drei Monaten nach Röstung) und nicht zuletzt das Wissen um die richtige Kaffeezubereitung!

Es spricht also vieles dafür, beim nächsten guten Kaffee bewusst zu schauen, zu riechen und zu kosten! Hat er eine intensive Farbe? Ist er in der Nase blumig, fruchtig oder eher haselnussig? Auf dem Gaumen säuerlich oder doch bitter? Mit wachen Sinnen begeben wir uns wohl am besten in die Hände eines kundigen Baristas und lassen uns verwöhnen. Genießen (aber bitte nicht im Gehen) den Espresso, Cappuccino, Latte macchiato – und immer wieder gerne Kapuziner, Kleinen Braunen oder Einspänner. Und gönnen uns auch zu Hause eine feine Pause. Schicken unsere Fantasie auf Zeitreise, und die Geschmackspapillen auf die belebenden Spuren des schwarzen Kultgetränks.


Verwendete Literatur: Alessandro Marzo Magno, Il genio del gusto: Come il mangiare italiano ha conquistato il mondo. Garzanti, Milano 2015.

Fotos: Marco Cremonese (1), La San Marco (1), alle übrigen: Nicole Richter

Lust auf mehr wissenswerte Genussgeschichten?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert