Uhturm Graz Ziffernblatt

Wahre Graz-Liebe geht weiter

Genuss hat auch in Graz mit Gehen zu tun. Wenn die Karotte vor der Nase lockt, spule ich bereitwillig Kilometer um Kilometer ab, um Neues zu entdecken. Oder die alte Liebe zu kultivieren.

Weitergehen – und nicht Stehenbleiben – ist eine Haltung, die in Graz zelebriert wird: Es ist eine Stadt, die immer wieder über sich hinausgeht, um Einheimischen und Gästen ein zeitgemäßes urbanes Erlebnis zu bieten. Selbst lange gekannte Orte bergen oft Überraschungen, weil sie neu „erfunden“ werden. Wer sich dann wie ich dem Genuss verschrieben hat, ist in der deklarierten „Genusshauptstadt“, mit ihren vielfältigen kulinarischen Veranstaltungen das ganze Jahr über, sowieso goldrichtig.

Besonders an warmen Tagen steht die Landeshauptstadt der Steiermark einem italienischen Centro Storico um nichts nach. So bezeichnet sich Graz, zu Recht, liebend gern als mediterranste Stadt Österreichs. In den Gastgärten summt und brummt es vor Stimmengewirr und Lebensfreude. Und in der kälteren Jahreszeit erwärmen die Grazer Maronibrater das Herz der Flaneure.

Jenseits der Mur

Als besonders hip gilt aktuell das Lendviertel am Westufer der Mur, jene Gegend, die man früher als „jenseits der Mur“ und damit weit weg vom Schuss betrachtet hat. Weil das Zentrum eben nicht dort war. Das hat sich zumindest im Bezirk Lend geändert. Man wähnt sich in einer Mischung aus Weltstadt und Urlaubsort, aus Wien, Berlin und Triest, es riecht nach Kreuzkümmel und schmeckt nach Tsatsiki, aus einer Ecke kommt dumpfer Bass aus der Konserve, aus der anderen das Zischen der Kaffeemaschinen für den Specialty-Coffee.

Radfahrer wuseln abwechselnd mit Fußgängern durch die Begegnungszonen, improvisiert wirkende Sitzgärten vor witzigen Tschecherln buhlen mit jenen der alteingesessenen, aber gelifteten Lokale um die Gunst der Gäste.

Auch auf dem Bauernmarkt Lendplatz nimmt die Gastronomie – von lässig bis urig – eine wichtige Rolle ein, und so können wir entspannt den Einkaufsaktivitäten der Hausfrauen und Hausmänner beiwohnen.

Wein, so weit die Karte reicht

Am Südtiroler Platz, wo früher höchstens ein Schuhgeschäft interessant war, erwartet uns, gleich gegenüber vom Kunsthaus, die mit 180 Etiketten bestückte Weinbar Auenbrugger: Vor historischer Fassade oder in den Gemäuern des denkmalgeschützten Bürgerhauses lässt sich ein Glas Gelber Muskateller oder Riesling „Smaragd“ genießen. Oder, oh là là, Champagner mit Limoncello, das weckt garantiert alle Lebensgeister. Steirische Küche mit modernem Twist offenbart sich beim knusprigen High-Quality-Backhenderl im Mohrenwirt, wenige Meter weiter. Das klassische Wirtshaus, aber eindeutig „revisited“, bietet einen sympathischen Mix aus 1960er-Jahre-Möbeln mit farbenfrohen Accessoires und etwas Kunst.

Mit bunten Bildern im Kopf wandern wir beschwingt Richtung Altstadt, vielleicht am Murkai entlang, über die Murinsel hinüber auf die andere Seite. Dorthin, wo der ehrwürdige Schloßberg (bis heute mit „ß“, darauf pocht man in Graz) erhabenen Hauptes das Treiben darunter beobachtet. Ob er manchmal den Kopf schüttelt?

Tempel der (alten) Liebe

Ich stelle fest, meine alte Liebe glänzt mehr denn je. Es ist vielleicht so etwas wie „Heimat“, was manche Adressen vermitteln: Bei jedem Graz-Besuch freue ich mich auf Kastner & Öhler. Das Kaufhaus mit der spektakulären und daher immer gut besuchten Dachterrasse bietet einen grandiosen Schloßbergblick, vor allem aber das eleganteste Gemischtwaren-Angebot rund um Mode und Sport. Und: Es geht doch nichts über die seit Jahrzehnten (oder eher anderthalb Jahrhunderten) gleichbleibend freundlichen und stets ratwissenden Verkäuferinnen.

Ein weiterer Ort genussvoller Versuchung in der Innenstadt, nur ein paar Gehminuten entfernt: Frankowitsch, der Tempel der klassischen Brötchen, deren Qualität und In-Faktor seit 1932 unangetastet sind. Das macht so schnell keiner nach! Der immer wieder weiterentwickelte und dennoch tröstlich beständige Familienbetrieb gehört einfach zum fixen Programm, vor allem samstagvormittags.

Nicht zu vergessen das Operncafé mit dem ganzjährig anziehenden Wintergarten! Es hat seit 1861 viel Bewegung und viele Besitzerwechsel erlebt. Geblieben aber ist eine Art Salongefühl – heute becirct das Kaffeehaus mit pastellfarbenen gemütlichen Designermöbeln und einem weitreichenden Angebot von Frühstück über Mittagsgerichte, Mehlspeisen bis hin zu Cocktails.

Der Markt als Genusszentrum

Gleich in der Nähe, hinter der Oper, auf dem Kaiser-Josef-Platz, versammeln sich kleinere und größere Bauern aus der Steiermark täglich, und samstags in noch größerer Zahl, um auf dem Markt der geschätzten Klientel ihre frische Ware anzubieten: etwa Grazer Krauthäuptel, der längst zu den Traditionellen Lebensmitteln Österreichs gehört. Oder appetitliche Henderln zum Braten (oder zum Backen, falls es doch wer zu Hause angeht). Außerdem sind da Forellen und Lamm. Leuchtende Karottenbüschel, trockene oder schon gekochte Käferbohnen, das „grüne Gold“ alias Kürbiskernöl, Blumen je nach Saison, duftende Würzkräuter, die Käsehütte. Alles umkränzt von verschiedensten Attraktionen gastronomischer Natur: Besonders am Wochenende trifft man sich hier zum Kaffee oder Wein oder überhaupt zu einem ganzen Markt-Menü.

1

Aus dem Süden

Nicht zuletzt: Für ein passendes Mitbringsel – mit dem sich durchaus Eindruck schinden lässt – pumpen wir noch einmal die Wadln auf! Weil wir schließlich in der „südlichsten“ Stadt Österreichs unterwegs sind, marschieren wir ins italienische Brigante. Die moderne Melange aus Bar und Deli bietet Trüffelchips und eingelegte Pioppini-Pilzchen, Thunfisch-Prosciutto und Gänseprodukte, Spumante und Craftbeer. Oder, für echt Exotisches aus der Steiermark, gibt es ums Eck den ebenfalls noch jungen Genussladen Gut Schlossberg: An die 1000 innovative Produkte aus regionaler Erzeugung sind perfekt für so manche Überraschung. Zum Genießen vor Ort und zum Mitnehmen: Liebe geht auch zu Hause weiterhin durch den Magen!


Meine persönlichen Graz-Tipps:


Lust auf noch mehr Steiermark?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert