Sektgläser bei Harkamp

Südsteiermark: Eine Reise zum Planeten Sekt

Sekt aus Österreich? Echt? So höre ich es öfter. Deshalb wollte ich es genauer wissen. Und erzähle hier von einer Tour mit Überraschungseffekt. Gekennzeichnet von Qualität, lebendigem Handwerk und überschäumender Hingabe.

Es passiert nicht oft, dass man (sich) als Liebhaberin der feinen Genüsse von einem traditionellen Produkt erst neu überzeugen muss. Aber tatsächlich, der österreichische Sekt ist so ein Fall. Was sind wir in den vergangenen Jahrzehnten geprägt worden von Begriffen wie Prosecco und Frizzante. Gar Champagner wurde für Normalsterbliche ein Stückchen „alltäglicher“. Gar nicht zu reden von den sprudeligen Getränken wie Aperolspritzer & Co. Eine Selbstverständlichkeit hat sich da eingebürgert – die aber mit Österreich als Herkunftsland nichts am Hut hat.

Und das, obwohl wir eine Weinbautradition haben, die bis in die vorchristliche Zeit zurückgeht! Und der Sekt? Ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts Teil der österreichischen Weinkultur. Internationale Bedeutung genoss er bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Über Kaiser Franz Joseph I. sagt man, er habe regelmäßig österreichischen Sekt getrunken.

Österreichisches Sektkomitee

So engagiert sich das Österreichische Sektkomitee, eine eigene Körperschaft bestehend aus zwölf Vertretern der Sekthersteller, um mit dem „hauseigenen“ Schaumwein wieder Staat zu machen. Und das ist gut so! Denn auf der Reise durch die Welt der österreichischen Sekte tut sich ein neuer Horizont auf, beinah ein anderer Planet. Denn sie haben nichts mehr mit dem Biederen zu tun, das wir vielleicht aus Jugendtagen kennen. Oder mit jener Ware, wie man sie zum Schleuderpreis im Supermarkt bekommt. Hochwertige Winzersekte, die sich seit 2022 unter der Dachmarke „Sekt Austria“ in drei verschiedenen Qualitätsstufen zusammentun, sind das, was wir als moderner Gaumen vom österreichischen Wein erwarten: Sorgsame Herstellung, elegante Stilistik, Trinkfreude.

Weingut Kästenburg: Die erste Buschenschank

In der Südsteiermark, die man sonst eher mit Sauvignon Blanc oder Morillon als Stillwein assoziiert, bin ich dem Planeten Sekt weiter auf den Grund gegangen. Dort kenne ich schon seit Studienzeiten ein Haus, das seinerzeit „meine“ erste Buschenschank war. Und tatsächlich ist sie eine der ältesten überhaupt: Die Kästenburg. Schon die Großmutter des heutigen Jungwinzers und Eigentümers, Jakob Jakopé, war an der Entstehung der Südsteirischen Weinstraße vor mehr als 60 Jahren maßgeblich beteiligt. Genau hier nämlich, vor dem geschichtsträchtigen Haus aus 1638, fand die Eröffnung statt.

Etwas abseits der üblichen Pfade hat sich das Weingut Kästenburg in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten nicht nur einen Namen im Rotweinbereich gemacht, sondern vor allem in der Sektherstellung. Acht verschiedene Sekte, auch in verschiedenen Flaschengrößen, werden angeboten – und alle in traditioneller Flaschengärung hergestellt. Die handgemachten Jahrgangssekte sind, bis auf eine Burgundercuvée, reinsortig.

Jakobs Vater, Werner Barthau, stammt ursprünglich aus dem deutschen Baden-Württemberg und kam der Liebe wegen – Ilse Jakopé war damals die junge Chefin – auf die Kästenburg. Und begann schon 1996 mit den ersten Traminer- und Rieslingsekten.

Nach der Ausbildung zum Weinbaumeister ist Jakob auf diesen Zug aufgesprungen. Mit ihm ist bereits die sechste Generation der Familie auf der Kästenburg am Werken. In der Weinherstellung zählt er auf ein kleines fixes Team: Im Haus wird von den Grundweinen über das – ausschließlich händische – Rütteln bis hin zum Degorgieren, Etikettieren und Lagern alles selbst gemacht.

Heute produziert das acht Hektar große Weingut, das seit Jahren nachhaltigkeitszertifiziert ist, 25.000 Flaschen Sekt jährlich und circa das Doppelte davon in Lohnproduktion für Kollegen, wie Jakob erzählt. Überhaupt ist auf der Südsteirischen Weinstraße die Kooperation zwischen den Betrieben wohl ein Teil des Erfolgsrezepts. „Man kann nicht mit jedem befreundet sein. Aber wir halten alle zusammen!“

Die Nachfrage nach den regelmäßig prämierten Sekten (aktuell der Chardonnay beim „Salon 2021“, dem wichtigsten Weinwettbewerb Österreichs) steigt stetig. „Es hat ein Umdenken bei den Konsumenten stattgefunden. Sie wollen wieder vermehrt heimische Produkte. Und vor allem mit Qualität.“ Am beliebtesten sind der Muskatellersekt (trocken), Chardonnaysekt (extraherb) und Rieslingsekt (extratrocken). Die Aromen changieren dann von Holunderblüten über Williamsbirne bis hin zu Zitrusschale, je nach Sorte und individueller Wahrnehmung. Im herrlichen Gastgarten der Kästenburg dürfen unsere Sinne dann spielen: „Was schmeckst du noch?“ Während wir beseelt in die zauberhafte Landschaft blicken.


Weingut Regele: Generation 7 plus

Ebenfalls direkt an der Weinstraße, in Ehrenhausen, befindet sich das traditionsreiche Weingut Regele, heute in sagenhafter siebenter Generation von Ingrid und Georg Regele geführt. Bekannt für seine Weine aus typisch steirischen Rebsorten wie Welschriesling und Traminer aus den schönen Lagen Sulz und Zoppelberg, zählt Regele schon seit 1972 zu den Vorreitern in puncto Sektproduktion. Und mittlerweile für eine neue Generation an Schaumweinen, die sich zu einem guten Teil mit der rot-weiß-roten Plakette „Sekt Austria“ schmücken und damit strengen Qualitätskriterien folgen.

Mit Stolz werden sieben verschiedene Schaumweine produziert: Dabei werden etwa der Schilchersekt und der Muskateller Frizzante im Stahltankverfahren (Méthode Charmat) hergestellt, hingegen der Brut Rosé Reserve aus Pinot-Noir-Trauben oder der Blanc de Blancs aus Chardonnay-Trauben nach der „Méthode Traditionnelle“.

Den Grundstein für die aus heutiger Sicht „innovative“ sprudelnde Art von Wein legte in den 1950er-Jahren Franz Regele: Er schuf die legendäre Platscher Perle. Dem Grundwein aus Welschriesling, Weißburgunder und Veltliner in unterschiedlichen Anteilen – je nachdem, was gerade da war – wurde Kohlensäure hinzugefügt, wodurch er ein sogenannter Perlwein wurde. Auch trank man diesen damals gerne süß. Aus Nostalgiegründen gibt es den historischen Sprudel immer noch, allerdings reinsortig aus Welschriesling und mit deutlich weniger Restzucker.

Und heute? Hat die jüngste Generation mit Juniorchef Franz Regele die Freiheit, sich „auszutoben“, wie er selbst sagt. Franz ist auch Gründungsmitglied der Winzergruppe Sieme, die mit diesem Markennamen seit 2015 den „jungen wilden“ Zugang zelebrieren – und gemeinsamen Wein machen. Wie auch den Sekt Sieme Brut Nature im Haus Regele.

Apropos Natur – dazu gibt es ein klares Statement von Vater Georg Regele: „Sie ist unser Partner. Da muss man demütig sein“, sagt er. Weswegen er etwa auf eigenen Traubenkompost setzt oder auch einen Versuch mit PIWI-Rebsorten gestartet hat.


Weingut Harkamp: Sekt mit Seele

Dass ein österreichischer Winzer fast drei Viertel seiner Produktion dem Schaumwein widmet, kommt äußerst selten vor. Bei Hannes Harkamp vom Weingut Harkamp in Leibnitz ist es der Fall. Auf 20 Hektar, verteilt auf mehrere Rieden im Sausalgebiet, baut er unter anderem Sauvignon Blanc, Welschriesling oder Weißburgunder an. Seit 2007 ist Harkamp mit Sitz in der historischen Villa Hollerbrand, früher ein bekanntes In-Restaurant der Familie, ein Sektgut. Noch dazu eines, das im Segment der Naturweine tätig und nach Demeter biologisch zertifiziert ist.

„Wir greifen ganz wenig in die Weinbereitung ein, arbeiten mit Tee-Präparaten. Bei uns verläuft alles möglichst natürlich. Der Wein schmeckt aber anders, als man es vielleicht gewohnt ist“, erklärt Hannes Harkamp. Ich stelle mir vor, dass dies im Verkauf eher schwierig ist, wie man es von anderen Winzern hört. „Mit dem Sekt tut man sich leichter, die Kunden haben nicht so fixe Vorstellungen im Kopf wie beim Stillwein. Beim Sekt sind die Menschen offener!

Die aktuell circa 60.000 Flaschen Jahresproduktion werden alle mit der traditionellen Flaschengärung hergestellt. Zunächst darf der Grundwein in großen Holzfässern mehrere Monate auf der Feinhefe reifen, bevor er dann zur zweiten Gärung in Flaschen gefüllt wird. Ein prickelnder Moment: Durch den zugeführten Tiragelikör, einer Mischung aus Biosekthefe und Biozucker, entsteht auf natürliche Art und Weise die Kohlensäure in der Flasche.

Nach dem Degorgieren, wenn also der entstandene Hefepfropfen nach der Reifezeit entfernt und die Flasche mit dem sogenannten Dosagelikör wieder aufgefüllt wird, entscheidet sich der Süßegrad des Sekts. Interessant ist, dass unser Gaumen den als „trocken“ bezeichneten Sekt eher süß wahrnimmt. Und dass der als angenehm trocken empfundene Sekt die Bezeichnung „brut“ (herb) oder „extra dry“ (extra trocken) trägt. Schließlich wird die Flasche mit einem Naturkorken verschlossen und ist bereit für den Verkauf!

Wissenswert: Trocken oder süß?

Schaumweine von trocken bis süß

Wie ein Schaumwein bezeichnet werden muss, hängt vom Restzuckergehalt (pro Liter ab). Die jeweiligen Bezeichnungen sind auf Französisch, Deutsch oder Englisch möglich:

brut nature: 0–3 g/l

extra brut / extra herb: 0–6 g/l

brut / herb: 0–12 g/l

extra trocken / très sec / extra dry: 12–17 g/l

trocken / sec / dry / secco: 17–32 g/l

halbtrocken / demi sec / medium dry: 32–50 g/l

mild / dolce / doux / sweet: über 50 g/l

Harkamps Weinreich, das tief unter den Seggauer Schlossberg geht, wurde 1897 von einem Italiener erbaut und dient seit jeher der Weinproduktion und dem Weinverkauf. Die damals üblichen Betonzisternen gibt es teilweise heute noch, sind aber nicht mehr in Betrieb. Und die Stahltanks? „Ja, es gibt sie für die sogenannte Spontanvergärung, aber sie sind so kühl, ohne Seele!“ Vielmehr setzt Hannes Harkamp wieder auf besondere Traditionen in der Weinbereitung: die Amphoren. Seine Prachtexemplare stammen aus China – dort werden sie aus Steingut hergestellt – beziehungweise aus Italien, wo Terracotta verwendet wird.

Neben dem Topseller Muskatellersekt, einem Zero Dosage und einem Brut Rosé führt Harkamp den eher seltenen Sekt aus Sauvignon Blanc: „Diese Rebsorte ist immerhin die wichtigste in der Südsteiermark!“

Bemerkenswert auch die federleichten Gläser, aus denen wir trinken. Und die dem edlen Getränk noch mehr Verve verleihen: Das „Zünd“-Glas aus der Schweiz gilt als Lieblingsglas der Sommeliers. Es ist rein mundgeblasen, aus einem Stück, und jedes Glas ist anders. Zu bekommen ist es in Österreich exklusiv bei – Harkamp.

Überraschung gelungen? Diese Art von Sekten, hochwertig und handgemacht, ist für uns Genussmenschen jedenfalls ein lebendiges Zeichen, dass das Besondere wirklich nah ist. Und perfekt, um sich zur warmen Jahreszeit den erfrischenden Schönheiten hinzugeben. Obwohl, für mich braucht es keine „Gelegenheit“ für etwas Gutes: Das geht einfach immer!

Kontakte

Kulturweingut Kästenburg, Familie Jakopé und Barthau, Ratsch a. d. Weinstraße 66, 8461 Ehrenhausen a. d. Weinstraße

Weingut Regele, Ewitsch 34, 8461 Ehrenhausen an der Weinstraße

Weingut Hannes und Petra Harkamp, Hollerbrandweg 6, 8430 Leibnitz

Grafik: ÖWM/ÖWM. Fotos: Regele/Sutter (1), Harkamp (2), alle anderen: Nicole Richter.


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