Das Gehen erlebt ein Revival. Auch wenn die älteste menschliche Fortbewegungsmethode sich anfühlt wie eine Entdeckung der Neuzeit. Pandemiezeiten und Klimawandel lehren uns: Man braucht kein Flugzeug, keine sündteure Ausrüstung. Nur ein Paar gute Schuhe, das war’s.
Für mich persönlich ist das Gehen immer schon wichtige Quelle der Entspannung und Reflexion. Es geht nicht darum, möglichst viele Kilometer abzuspulen. Es ist eher das „Abgehen“ von unnötigem Ballast. Das „Ergehen“ von Orten als körperliches Eintauchen in Landschaften. Beim Gehen werden wir wieder „Menschen im Naturzustand“.
Dass wir uns damit weitgehend umweltfreundlich fortbewegen, ist ein weiterer positiver Effekt. Und als Genussmenschen wollen wir diesen gleich nützen für die schönste Nebensächlichkeit dieser Welt: Zu Fuß und mit (kleinem) Rucksack entspannt auf ein Glas Wein gehen! Daher: Bestens geeignet auch für Gehmuffel!
Hinweis: Dieser Artikel erschien erstmals am 6.5.2021 und wurde zuletzt aktualisiert am 2.1.2024.
Die besten Tipps für 7 genussvolle Wanderungen im Alpen-Adria-Raum!
Inhalt:
- Cormòns: Subida–Castello di Spessa (I)
- Südsteiermark: Gamlitz Weg Nr. 4 (A)
- Sistiana–Duino: Rilkeweg (I)
- Klagenfurt: Wörthersee Plattenwirt–Zillhöhe–Lido (A)
- Karst: Màlchina–Monte Sambuco (I)
- Polcenigo: Livenza- und Gorgazzoquellen (I)
- Medea: Colle di Medea (I)
1. Cormòns: Subida–Castello di Spessa (I)
Einer der schönsten Wanderwege des Collio verbindet zwei absolute Highlights dieses Weinlands: Cormòns und das Castello di Spessa.
- Ausgangspunkt: 34071 Cormòns, Italien; öffentlicher Parkplatz unterhalb des Reitzentrums „VM performance horse/maneggio La Subida“, Via Subida 46.
- Distanz Rundweg: ca. 8 Kilometer, Gehzeit ca. 2 Stunden 15 Minuten
- Einkehren: Hosteria da Monia, Località Spessa 14, 34070 Capriva del Friuli (GO) bzw. Osteria La Preda della Subida, Via Subida 52, 34071 Cormòns.
- Übersichtskarte
Beim Parkplatz unterhalb des Reitzentrums folgt man rechts den roten Pfeilen des Wanderwegs „Vigne alte“ Richtung Castello di Spessa. Dabei geht es anfangs etwas steiler aufwärts, dann aber bald gemächlich auf Schotterstraßen und breiten Wegen weiter.
Im Sommer führt der Weg angenehm schattig durch den Wald. An einer freien Stelle sieht man hinüber nach Medana in der slowenischen Brda. Man durchquert einige Weingärten, bis sich schließlich der Blick auf die Weinhügel rund um das Castello di Spessa auftut. Hier hält man am besten einmal inne und genießt in vollen Zügen das herrliche Friaul-Panorama.
Geht man bis zum märchenhaften Schloss hinunter, hat man eine feine Auswahl: Es gibt einen Shop und ein Bistrot, wo man die hauseigenen hervorragenden Weine oder Destillate probieren kann. Oder man geht noch ein paar Meter weiter und genehmigt sich in der dazugehörenden „Hostaria del Castello“ ein Glas erfrischenden Ribolla Gialla. Hier blickt man über den Golfplatz und auf das Restaurant des gepflegten Anwesens, die „Tavernetta al Castello“. Diesen wunderbaren Tempel der gediegenen friulanischen Küche hebt man sich am besten für ein anderes Mal auf, wenn man eben nicht gerade in Wanderschuhen unterwegs ist.
Der Rückweg kann auf demselben Weg erfolgen, das ist die kürzere Variante.
Wer wie ich einen Rundweg lieber mag, der geht beim Schloss ein kurzes Stück auf der wenig befahrenen Via Spessa weiter. Dann biegt man links in die Via Russiz ein, bis man nach wenigen Gehminuten an das Lieferantentor der Villa Russiz gelangt. Von dort führt uns dann wieder links der Sentiero mit den roten Wegweisern weiter: zunächst vorbei an einem Mausoleum, durch Wein- und Obstgärten hindurch, wieder zurück Richtung Pradis bzw. Subida. Immer mit im Gepäck sind die herrlichsten Ausblicke auf die darunterliegende Landschaft des Collio.
Auf dieser wegtechnisch einfachen und landschaftlich lohnenswerten Wanderung geht es durch die Weingärten und Olivenhaine der namhaftesten Winzer dieser Gegend (Castello di Spessa, Russiz Superiore, Schiopetto, Pighin, Princic, Picech etc.) hindurch. Wer da nicht Lust auf ein Glas Friulano bekommt?!
Ist man bis zum Schluss eisern geblieben und will nun die genussvollen Eindrücke noch entspannt Revue passieren lassen: Am Ausgangspunkt gibt es beste Gelegenheit dazu! In der Osteria La Preda della Subida erwartet uns fleißige Wanderer eine Auswahl lokaler Weine. Und, falls es ein bisserl mehr sein darf, appetitliche Platten mit Affettati, Käse und so weiter. Schön auch zum Draußensitzen!
2. Gamlitz: Steinbach–Sernauberg–Gamlitzberg (A)
Die Südsteirische Weinstraße ist ein ewig jugendlicher Klassiker. Die jungen Winzer sind höchst innovativ und dennoch mit den Traditionen eng verbunden.
- Ausgangspunkt: 8462 Gamlitz, Logistikhalle oder Sportplatz, Wanderweg Nr. 4
- Distanz: 12 Kilometer, Gehzeit: ca. 2 Stunden 50 Minuten
- Einkehren: Weingut Jöbstl, Sernau 10, 8462 Gamlitz; Weingut Karl & Gustav Strauss, Steinbach 16, 8462 Gamlitz
- Übersichtskarte
Das Weinwandern in der Südsteiermark zählt für mich zu den schönsten Formen des Gehens. Obwohl, nicht „unanstrengend“, wie ich schon im Beitrag über die Bioweine in der Südsteiermark angemerkt habe.
Aber Gehen ist ja nicht nur Fortbewegung. Es ist auch Ausdruck des Gefühls- und Gemütszustands. An dieser Stelle überwiegen mit Sicherheit die Freude und die Leichtigkeit. Im Gebiet der Südsteirischen Weinstraße gibt es nämlich unzählige bestens ausgearbeitete Touren und Varianten davon: An jeder Ecke ein neuer überraschender Anblick. Niemals können Rebzeilen gleich oder gar langweilig aussehen!
Die Weinlandschaften rund um Gamlitz, Ehrenhausen oder Leutschach haben etwas Beruhigendes. Schmale Straßen, da und dort gesäumt von himmelhohen Pappeln, geprägt von schmucken Häuschen und Blumenarrangements.
Unsere ausgewählte Wanderung führt vorbei an großen und kleinen Klapotetzen, angenehm bergauf und bergab, durch schöne Mischwälder mit Kastanien, Buchen und Eichen. Und, ganz klar, immer wieder durch weitläufige Weinhänge hindurch. Das Panorama ist jedenfalls an vielen Stellen atemberaubend.
Ein Tipp: Wir starten unsere Tour am besten gut gestärkt, denn der Weg Nr. 4 führt zu mehreren Weingütern (jedoch ohne Buschenschank). Und der Weg führt uns ja nicht immer vorbei! So kosten wir schon unterwegs, etwa beim Weingut Jöbstl, ein Glaserl reschen Welschriesling. Ganz unkompliziert im Hof stehend und mit den Hausleuten plaudernd.
Beschwingt, sofern man etwas maßhält, stapft man so von einem Achterl zum nächsten. Die Öffnungszeiten der Betriebe können natürlich variieren und sind am besten per Gamlitz-Wanderkarte oder auf den jeweiligen Internetseiten zu überprüfen.
Und wenn man gegen Ende der Tour diagonal über den letzten großen Weinhang des Gamlitzbergs Richtung Steinbach marschiert, macht sich vielleicht Erleichterung breit. (Wein in Sicht!) Aber noch dürfen wir das einmalige Gefühl genießen, eingebettet in die sattgrüne Weinlandschaft entspannt und sanft abwärts zu wandern. Hin zum stylischen Weingut Strauss, wo uns die in dem Moment schönste Belohnung erwartet: zum Beispiel ein fruchtiger Morillon oder ein frischer Sauvignon Blanc. Und ein Mal Beine langstrecken, bitte. Während man wie hypnotisiert den Ausblick auf die gegenüberliegenden Rebzeilen und die Muster, die sie in die Landschaft zeichnen, betrachtet.
Mit so vielen schönen Bildern im Kopf ist der Weg ab hier zurück zum Ausgangspunkt nur mehr ein Katzensprung! Und als „Karotte vor der Nase“ wartet vielleicht andernorts schon Stärkung in Form eines Käferbohnensalats oder eines Schweinsbrüstlbrotes. Aber das ist wieder eine andere Geschichte!
3. Sistiana–Duino: Rilkeweg (I)
Was gibt es Schöneres, als völlig entspannt dem Meer entlangzuwandern? Wissend, dass uns ein Märchenschloss erwartet.
- Ausgangspunkt: 34011 Sistiana (TS), Italien; Parkplatz des Infopoint PromoTurismoFVG
- Distanz hin und retour gesamt: ca. 4 Kilometer, Gehzeit: ca. 90 Minuten
- Einkehren: Bar al Castel, Frazione Duino, 26, 34011 Duino (TS)
- Übersichtskarte
Im Laufe der Geschichte hat das Gehen einen mehrfachen Bedeutungswandel durchgemacht. Im 18. Jahrhundert galten schon die allerersten „Karossen“ als Zeichen von Wohlstand. Und das Gehen somit als Zeichen der Armut.
Etwa hundert Jahre später bekam es dann ein anderes Mascherl umgebunden: Gehen wurde zum Luxus. Man denke an die flanierenden, nicht nur kaiserlichen Herrschaften etwa im Wiener Prater. Die Adeligen und die Dichter, mußevolle oder schwermütige Menschen, sie hatten reichlich Zeit und konnten sich nicht sattsehen an der Landschaft. Dann kam die Industrialisierung – und das Gehen war normal, aber kein soziales Renommee.
Und heute? Mutiert das Gehen gewissermaßen erneut zum Luxus. Noch mehr von allem zu haben, wird auch einmal zu viel. Da setzt der Mensch nun an, sich den Platz zum Gehen auch in den Städten wieder zurückzuerobern.
Auf dem Rilkeweg ist jedenfalls schon alles bereit für uns: Dort können wir Glücklichen auf traumhaft romantischen und historisch bedeutsamen Pfaden wandeln. Und uns am Meer nicht sattsehen! Genau dort, wo sich Rainer Maria Rilke während seiner Aufenthalte auf Schloss Duino zwischen 1912 und 1922 zu seinen Duineser Elegien inspirieren ließ.
Seine beschwerten Gemütszustände außer acht lassend, erfreuen wir uns gleich beim Start an einem hinreißenden Blick auf den Bogen der steilen Karstklippen. Darunter die kleine Marina von Sistiana, dahinter das scheinbar endlose Blau der Adria. Und noch ein Stück weiter weg erahnen wir Triest.
Der Sentiero Rilke verbindet Sistiana mit Duino, das heißt, die Tour wäre auch umgekehrt möglich. Ich persönliche finde es einzigartig schön, sie in Sistiana zu beginnen. Die Augen nicht nur auf den Boden, sondern stets auf die beinah kitschige Kulisse des Castello di Duino der Familie Torre e Tasso geheftet. Wir befinden uns gut gesichert hoch über dem Meer und schweben förmlich über die meist gut präparierten Pfade. Prädikat: besonders aussichtsreich!
Im kleinen Ort Duino angekommen, wendet man sich entweder dem Schloss zu – wer Lust hat, kann hier eine immer wieder erlebenswerte Besichtigung genießen. Der türkis- bis aquamarinfarbene Golf von Triest liegt einem sowohl vom Schlossinneren als auch vom Garten aus zu Füßen.
Oder: Man sucht sich gegenüber dem Eingang frohen Mutes einen Tisch in der Bar Al Castel, in der Sonne oder im Schatten, und genießt einen gut gekühlten Spritz! Oder vielleicht einmal einen cremigen Cappuccino? Um dann für den Rückweg gestärkt zu sein, auf dem wir inspiriert Teil zwei des Meeresblaus in uns aufsaugen. Und im Gedächtnis lange, lange für zu Hause abspeichern.
4. Klagenfurt: Wörthersee Plattenwirt–Zillhöhe–Lido (A)
Der Wanderweg zu einem der schönsten denkbaren Weingärten hoch über dem Wörthersee lässt das Genießerherz höher schlagen.
- Ausgangspunkt: 9020 Klagenfurt, Hotel Plattenwirt
- Distanz als Rundweg ca. 3 Kilometer, Gehzeit ca. 50 Minuten
- Einkehren: Villa Lido, Friedelstrand 1, 9020 Klagenfurt am Wörthersee
- Übersichtskarte
Blau, vielmehr Türkisblau. Dieses gibt es frei Haus geliefert, wenn man in Klagenfurt mit wenigen Höhenmetern auf die 561 Meter hohe Zillhöhe wandert. Ein leichter Marsch auf Asphalt, dann auf Waldwegen, später auf einer Forststraße.
Der angenehme Aufstieg, zunächst unter zwei Unterführungen hindurch, belohnt uns schon nach wenigen Gehminuten mit einem ersten weitreichenden Ausblick auf die Ostbucht des Wörthersees mit dem Strandbad Klagenfurt. Wenige Meter weiter dann das nächste Highlight: Über den schönen 1,2 Hektar großen Klagenfurter Stadtweingarten „Seewiese“ hinweg taucht man mit den Blicken ins verlockende Wörtherseewasser ein. Unmittelbar vor unseren Augen: Kärntner Wein. Hier wachsen beispielsweise Blauer Zweigelt und Sankt Laurent, Weißburgunder und Chardonnay. Wer will, kann es sich auf den geschwungenen Holzbänken gemütlich machen. Und sich beim Anblick der davorliegenden Weinstöcke bildlich vorstellen, wie es jetzt wäre, wenn … da jetzt eine gekühlte Flasche Wein … Nichts da, wir sind ja erst am Anfang unserer Tour!
Und so marschieren wir auf dem Weg Nr. 22 der Beschilderung Richtung Zillhöhe folgend weiter bis zum kleinen Gipfel. Dieser hält neben dem hübschen Holzpavillon schon wieder ein prächtiges Panorama bereit, diesmal Richtung Krumpendorf. Von dort geht man ein Stück auf demselben Weg wieder zurück und folgt bei einer Abzweigung dem Weg Nr. 11 abwärts. Ist man an der Autobahn angelangt, folgt man der Straße nach rechts und unterquert diese. Anschließend nach links, bis man hinter einem imposanten „Lost Place“ in Form des ehemaligen Hotels Wörthersee ankommt.
Dort wechselt man auf die andere Seite der Bundesstraße B83 und geht schließlich den Weg hinunter, wo man wiederum die Bahngleise unterquert. Und schon befinden wir uns auf unserem Rückweg am Nordufer des Wörthersees. Rechter Hand erblickt man das Gebäude des traditionsreichen Klagenfurter Rudervereins Albatros. Die sehenswerte Jugendstilvilla wurde 1908/1909 vom berühmten Wiener Architekten Franz Baumgartner erbaut.
Wir wenden uns aber nach links und wenige Schritte später haben wir unser Genussziel erreicht: die Villa Lido gleich neben der Werft der Wörtherseeschifffahrt. Wir schnappen uns einen Platz entweder direkt am Wasser oder auf der erhöhten Terrasse. Und genießen neben der vereinnahmenden Wasserfarbe, wie auch im Beitrag Prinzessin Türkis vom Wörthersee beschrieben, die angenehme Aussicht auf einen Aperol-Spritzer mit 100-%-Relaxfaktor!
Zurück zum Ausgangspunkt sind es dann nur mehr wenige Gehminuten. Bravo!
5. Karst: Màlchina–Monte Sambuco (I)
Der Reiz des Karsts wird auf dieser Wanderung eindrucksvoll zusammengefasst. Stille und Natur pur. Und Genuss, natürlich.
- Ausgangspunkt: 34011 Màlchina (TS), Italien; Parkplatz bei der Kirche
- Distanz Rundweg: ca. 6 Kilometer, Gehzeit: ca. 1,5 Stunden
- Einkehren: Trattoria Terzoni „Osteria Boris“, Frazione Malchina 1, 34011 Duino-Aurisina (TS), Tel. +39 040 299449
- Übersichtskarte
Dass die Zeit hier stehen geblieben scheint, ist vielleicht ein Grund, warum die Menschen so gerne in den Karst gehen. Das Land über der Bucht von Triest, immer hin- und herpendelnd zwischen Italien und Slowenien, ist total entschleunigt. Wo, wenn nicht hier, eingebettet in eine Vegetation, die zwischen struppig und üppig blühend, zwischen Eichenwäldern und Weingärten alles bietet.
Vor allem eine Art Freiheit, die uns das „absichtslose“ Wandern in vollen Zügen genießen lässt. Obwohl, so ganz absichtslos sind wir, ehrlich gesagt, nicht. Denn wir wissen, dem Titel des Beitrags folgend, wohin wir wollen. Schelme!
In diesem Fall starten wir im stillen Karstdörfchen Màlchina, das aber da und dort so manches Kleinod verborgen hält: Zum Beispiel die berühmten Osmize, also die Buschenschenken des Karsts. Diese sind in ihrer charmanten Typizität so authentisch, dass man staunend und auch amüsiert alles rundum vergisst und unweigerlich „loslässt“. Eine andere Welt tut sich hier auf. Mehr über diese besonderen Orte der Gastlichkeit gibt es hier auf dem Blog unter Jede Osmiza ein eigenes Universum nachzulesen!
Nach dem Platz bei der Kirche biegen wir also nach rechts und folgen dem Weg Nr. SI 31A. Wir wandern auf gemütlichen Forstwegen, entlang von malerischen Karststeinmauern und vorbei an jeder Menge Wacholderstauden. An der Gabelung mit dem Weg Nr. 3 folgen wir diesem linker Hand bis zu unserem Gipfel – dem Monte Sambuco. Ganze 213 Meter über der Meereshöhe. Der Ausblick ist nicht gerade spektakulär, aber hier ist der Weg das Ziel. Das bewusste (und auch unbewusste) Wahrnehmen der Umgebung, was erst durch diese „natürliche“ Geschwindigkeit möglich ist. Wir gehen nun wieder ein Stück zurück zum Weg Nr. 3 und folgen diesem weiter.
Die Flora des Karsts ist das ganze Jahr über beeindruckend. Aber besonders natürlich im Frühsommer: Graslilien, Wilder Fenchel, Ehrenpreis und was man noch alles so erblickt, erfreuen uns mit ihren Farben. Abgesehen von den naturnah bearbeiteten Weinreben in ihrer sattroten Karsterde.
Die Stille genießend schreiten wir also weiter, dorthin, wo es Rast und Stärkung gibt: Bald nachdem wir wieder die ersten Häuser von Màlchina erreicht haben, befindet sich an der ersten Kreuzung die Osteria Boris. Im Gastgarten oder der urigen Gaststube, je nach Witterung, lassen wir einen der autochthonen Weine die Kehle hinunterfließen: einen kühlen Vitovska zum Beispiel. Oder, in Rot, einen Teran. Und wir wären nicht im Karst, gäbe es nicht auch köstliche, hausgemachte und kräftigende Speisen, die uns verlocken. Im Zweifelsfall gilt immer: Probieren! Von hier haben wir schließlich nur mehr ein paar Gehminuten durch das Dorf zurück zum Ausgangspunkt.
6. Polcenigo: Livenza- und Gorgazzoquellen (I)
Eine leichte Wanderung durch ein Naturparadies. Und die Farben des Wassers der beiden Quellen wird man nie mehr vergessen.
- Ausgangspunkt Nr. 1: Polcenigo, Sorgente della Livenza, Parkplatz ankommend links von der Kirche Santissima Trinità, Via Pedemontana. Rundweg 1 zu den Quellen. Rundweg 2 ins Sumpfgebiet mit Unesco-geschützten Pfahlbauten.
- Ausgangspunkt Nr. 2: Polcenigo, Gorgazzo, öffentlicher Parkplatz
- Einkehren: Bar Al Bus, Via Sorgente 1, 33070 Polcenigo
Zu den schönsten Binnengewässern, die ich jemals gesehen habe, zählen diese beiden in der Provinz Pordenone: Es handelt sich um Quellen zweier Flüsse, die sich am Fuß der Belluneser Voralpen beschaulich in die Landschaft schmiegen. Die Sorgente della Santissima, eine der Quellen der Livenza, wird gleich nach dem Ursprung zu einem intensiv grün leuchtenden Fluss in malerisch schönem Sumpfgebiet. Hier gibt es Stille pur mit naturnahen Pfaden.
Beim großen Parkplatz, ankommend links von der Kirche, befindet sich eine Übersichtstafel, die Orientierung liefert. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Bei der Kirche selbst überquert man die Holzbrücke. Von dort folgt man einem unkomplizierten und gut begehbaren Rundweg im Uhrzeigersinn. Dieser führt an der Quelle mit der alten Mühle „am rauschenden Bach“ und bei ein paar Bänken vorbei, die gerne für ein Picknick genützt werden. Am Weg gibt es auch eine Trattoria. 2. Eine andere oder zusätzliche Runde ist, wieder links vom Parkplatz, Richtung Fluss schauend, diesen über eine schmale Betonbrücke zu überqueren und danach auf manchmal feuchten, aber bezaubernden Pfaden zu wandern.
Nur circa 3 Kilometer entfernt, man ist schon vorbeigefahren, sofern man aus Richtung Polcenigo angereist ist, befindet sich ein weiteres Naturwunder namens Sorgente del Gorgazzo. Die „zweittiefste siphonartige“ Karstquelle Europas speist den Fluss Gorgazzo und ist Teil des Unesco-Welterbes.
Eingebettet zwischen Felsen und Bäumen erblickt man unter der Grotte das glasklare und wohl eiskalte Wasser. Und glaubt zunächst, seinen Augen nicht zu trauen. Erstens: Die Farbe! Dieses absolut faszinierende Blau in allen Tönen hat es aber nicht nur uns angetan. Der friulanische Geograf Giovanni Marinelli ließ sich 1877 zu einem Bände sprechenden Gedicht hinreißen. Er bezeichnete das Gewässer treffend als „flüssigen Himmel“. Schöner könnte ich es nicht sagen, daher seine Worte in meiner Übersetzung:
Man nehme die Farbe des Smaragds, jene der Türkise, jene der Berylle, werfe sie in ein Bad aus Lapislazuli, sodass sich alles vermische und gleichzeitig seine Eigenart behält, und ihr werdet jene Portion flüssigen Himmels haben, der sich Gorgazzo nennt.
Giovanni Marinelli, Geograf (1846–1900)
Zweitens: Die Figur! Man schaut gleich zwei Mal hin. Ja, doch, unter der Wasseroberfläche des Quelltümpels schimmert etwas Weißes herauf. Noch haben wir nicht Wein getrunken! Es ist aber kein Trugbild. In 9 Metern Tiefe hat man tatsächlich eine Christusstatue angebracht, die sich mit freiem Auge gut erkennen lässt. Jedes Jahr zu Weihnachten wird sie gesäubert und gefeiert.
Der Fluss Gorgazzo selbst hat nur einen kurzen Lauf von etwas mehr als 3 Kilometern, bevor er in die Livenza mündet. Wenn er denn fließt: 2022, das Jahr des Wassermangels, zeigte uns einen anderen Anblick: Ein ausgetrocknetes Flussbett, der faszinierende Quelltümpel beinah – leer.
Wer nun die Impressionen von den überwältigenden Naturschönheiten in Ruhe nachwirken lassen möchte, kann sich schon auf die angrenzende Bar Al Bus freuen. Es gibt dort, im lauschigen Gastgarten oder auch drinnen, eine gepflegte Weinauswahl in schönen Gläsern und kreative, hausgemachte friulanische Speisen!
Wer mag, kann entlang des Flüsschens noch eine abschließende Dorfrunde durch Gorgazzo machen. Sehenswert ist auch das nahe Polcenigo, das zum Club der „Schönsten Dörfer Italiens“ (Borghi più belli d’Italia) gehört!
7. Medea: Colle di Medea (I)
Ein Kleinod mit besonderer Flora lässt sich hier hügelauf- und hügelabwärts auf einem Rundweg entdecken.
- Ausgangspunkt: 34070 Medea (GO), Italien; Parkplatz Colle di Medea
- Distanz als Rundweg: ca. 5 km, Gehzeit: ca. 75 Minuten
- Einkehren: Osteria Vinars, Corso Friuli 46, 34076 Medea, Tel. +39 335 629 9703
- Übersichtskarte
Umgeben von berühmteren Weinorten wie Mariano del Friuli, Cormòns oder Farra d’Isonzo und deren bedeutenden Weinproduzenten, wird das Dörfchen Medea von Reisenden oft links liegen gelassen. Zu Unrecht, wie ich finde. Es liegt nur 13 Kilometer östlich von der Sternstadt Palmanova und damit ziemlich zentral in Friaul-Julisch Venetien. Medea hat eine lange Geschichte, denn es gilt als vorrömische, keltische Siedlung. Seine Namensherkunft aus jener Zeit lässt jedenfalls an die verzagte Kindsmörderin aus der griechischen Mythologie denken. Ab 1500 war es für circa 400 Jahre unter Habsburger-Herrschaft.
Für Einheimische ist der Hügel von Medea ein begehrtes Freizeitziel. Man sieht viele Läufer und Mountainbiker und spazierende Familien mit Kindern und Hunden. Außerdem Menschen, die die ellipsenförmigen Erhebung zum Wandern und zum Hinunterschauen nützen. Wie wir.
Am Fuße des Colle befindet sich ein Parkplatz, von dem aus unsere Tour startet. Man folgt der Straße ein Stück nach rechts und biegt schon nach wenigen Metern wieder rechts auf den Wanderweg Nr. 1/Sentiero No. 1 ab.
Entlang des Panoramaweges mit Blick auf das Dorf wird man auf interessante Flora stoßen: Inmitten des für diese Gegend üblicheren Mischwaldbewuchses leuchten häufig Palmen aus dem Grün. Das gesamte Gebiet befindet sich jedenfalls unter Naturschutz und weist insgesamt eine bemerkenswerte Pflanzenartenvielfalt auf.
Auf dem Gipfel in 135 Metern Seehöhe angekommen, sieht man sich, etwas überraschend, dem mächtigen Denkmal Ara Pacis Mundi gegenüber. Und fühlt sich ein wenig wie der kleine Gulliver vor dem Riesen. Der künstlerische Bau aus Travertin-Marmor stammt von dem Mailänder Architekten Mario Bacciocchi und wurde 1950 zu Ehren der in den Weltkriegen gefallenen Soldaten errichtet.
Den Rückweg kann man Richtung Norden hinter dem „Friedensaltar“ über Stufen nach unten antreten. Dort folgt man am besten der Fahrstraße hügelabwärts. Auf dieser kommt man auch bei der Chiesetta di Sant’Antonio vorbei, deren Zugang linker Hand beschildert abzweigt. Ein malerischer Fleck Erde, eingebettet im Wald. Von dort geht es sanft bergab wieder auf der Straße.
Und weil „Medea“ im Altgriechischen die Ratwissende bezeichnet, rate ich nun, vom Parkplatz (unserem Ausgangspunkt) auf wenigen Metern zu Fuß in das Dorf zu gehen. Dort erblickt man auf der rechten Straßenseite das Schild „Osteria Vinars“, das uns, ganz klar, zum Wein bringt. Im Innenhof verbirgt sich ein kleiner lauschiger Gastgarten, im Inneren des Gebäudes eine gemütliche Osteria mit hausgemachten Speisen und vor allem den eigenen, typischen Weinen. Ein Glas Friulano gefällig? Oder lieber ein Cabernet Franc? Cin cin!
Wichtiger Hinweis:
Alle Routen wurden von mir teils mehrfach begangen und hier bestmöglich beschrieben. Die Gehzeiten sind ohne Pausen berechnet und nur ein Ungefährwert. Wir wollen ja die Landschaft und die Aussichten und die Einkehr genießen. Die angebotenen Open-Source-Karteninformationen dienen der groben Orientierung und setzen, wie bei allen Wanderungen, Eigenverantwortung hinsichtlich (geänderter) Wegverläufe, Witterung, Schuhwerk oder ergänzendem Kartenmaterial voraus. Ich übernehme in diesem Zusammenhang keinerlei Haftung.
Fotos: Vini Brumat (2), alle anderen: Nicole Richter