Olivenöl war nicht immer ein so begehrtes Lebensmittel – in nördlichen Gefilden zumindest. Bis wir seinen Wert verstanden haben, hat es gedauert. Heute aber sprechen wir von reinsortigen Ölen, von fruchtig oder scharf, und blicken direkt nach Friaul-Julisch Venetien.
Was wäre ein Teller dampfende Pasta ohne einen Schuss Olivenöl darüber? Oder ein knackiger Salat, gegrilltes Gemüse? Die südliche Küche ist uns heute beinah so vertraut, als wäre es unsere eigene. Dabei unglaublich, aber wahr: Es gab Zeiten, da zählte Olivenöl in nördlicheren Ländern zu den verpönten Lebensmitteln. Noch im 18. und 19. Jahrhundert pflegten deutsche oder englische Reisende, sich in Italien „Besseres“ von zu Hause kommen zu lassen – um sich das nach Olivenöl (und Knoblauch) „stinkende“ Essen nicht zumuten zu müssen. Auch der wohl berühmteste Italienreisende, Johann Wolfgang von Goethe, suchte etwa in Rom und Neapel die vertraute heimische Kost.
Anerkannter hochwertiger Lebensstil
Erst spät, nach der kulinarischen Migration von Pizza, Pasta und Eis, diesfalls von Süd nach Nord, verhalf ausgerechnet ein amerikanischer Ernährungswissenschafter einem unserer liebsten Lebensmittel zur Akzeptanz als gesundes und hochwertiges Produkt. In den 1970er-Jahren prägte Ancel Keys den Begriff der Mittelmeerdiät. Ihr zufolge ist Olivenöl – neben reichlich Gemüse, Obst, Fisch und, ja, auch Wein in Maßen – gesundheitsförderlich. Mittlerweile gehört das ganzheitliche und nachhaltige Konzept dieser Ernährungsform zum UNESCO-Welterbe und schließt neben Italien zahlreiche Länder von Griechenland bis Marokko mit ein.
Aber wandeln wir auf den Spuren des Olivenöls noch ein Stück weiter zurück in der Geschichte. Wir wissen ja, viel Gutes kam aus den Hochkulturen des Orients – ob Brot, Bier, Wein oder Kaffee: Auch der Olivenbaum war ursprünglich in Syrien und Persien beheimatet. Von dort gelangte er nach Griechenland und war laut griechischer Mythologie das göttliche Geschenk von Athene an die Bewohner von Attika. Er brachte ihnen Nahrung, Öl und Holz. Das Olivenöl wurde außerdem schon vor etwa 3000 Jahren als Lebensmittel, in der Kosmetik und zu religiösen Zwecken verwendet. Die Griechen brachten schließlich den Olivenbaum – Olea europea – nach Sizilien.
Nicht nur Wein, auch Olivenöl
Die Kultur des Olivenöls verbreitete sich weiter bis Rom und von dort nach Norden, und es wurde wertvolles Handelsgut. Heute finden wir in der Region Friaul-Julisch Venetien Ortsbezeichnungen wie Oleis und Ronco degli Ulivi, was uns sagt, dass es hier schon vor langer Zeit Olivenanbau gab. Im 18. Jahrhundert wurde er während der Habsburger-Herrschaft besonders rund um Gorizia – die Stadt galt als „österreichisches Nizza“ – gefördert: Im k. u. k. Reich legte man großen Wert darauf, mediterrane Lebensmittel in der mitteleuropäischen Landwirtschaft einzuführen. Schlimme Kälteperioden, die Weltkriege und der verstärkte Weinanbau führten allerdings dazu, dass die Olivenkulturen in Friaul-Julisch Venetien verschwanden.
Seit den 1990er-Jahren gibt es eine Renaissance des bedeutenden Erbes. So gedeihen die Olivenbäume nicht mehr nur für den Eigenbedarf der Winzer (denn Wein und Oliven gehörten immer schon zusammen), sondern es gibt wieder einige kleine Produzenten, die auf insgesamt rund 350 Hektar mit traditionellen Produktionsmethoden Olivenöl herstellen. Hauptanbaugebiete sind der Triestiner Karst, das Görzer Hügelland, die Colli Orientali rund um Cividale, Buttrio und Rosazzo sowie im Westen der Region etwa San Daniele oder Aviano.
Komplexe Eigenschaften
Die besonderen Qualitäten des Olivenöls generell sind sein Gehalt an Vitaminen und Antioxidantien. Olivenöl, das so weit nördlich entsteht, gilt als besonders fein und komplex in seinen organoleptischen Eigenschaften, also hinsichtlich Aussehen, Farbe, Geruch und Geschmack. Außerdem weist es einen höheren Anteil der wichtigen ungesättigten Fettsäuren auf als Öle aus südlicheren Gebieten. Somit ist die Region ein idealer Boden für Olivenbäume, wobei natürlich Kälteeinbrüche immer ein Risiko darstellen.
Das friulanische Olivenöl entsteht aus Olivensorten mit so hübschen Namen wie Bianchera, Gorgazzo, Grignano, Leccino, Maurino, Pendolino, Coratina oder Moraiolo. Es zeichnet sich vor allem durch seinen leicht bitteren und scharfen Geschmack aus. Davon reichen dann schon ein paar Tropfen, um Fleisch, Fisch oder Gemüse den ultimativen Geschmackskick zu geben – womit wir wieder bei der Einstiegsfrage und wohl ihrer Beantwortung sind.
Verarbeitung und Sorte
Aber genussfreudige Gaumen haben noch einiges zu beachten: Olivenöl ist nicht gleich Olivenöl. Natürlich macht die beste Verarbeitung, bei der wir hier ausschließlich von Kaltpressung reden, den Unterschied. Weiters hängt vieles von der Olivensorte bzw. der Mischung aus verschiedenen Sorten, der sogenannten Blend, ab. Übrigens: Olivenöl wird am besten pur verkostet, aus einem kleinen Glas, das man in der Handfläche leicht erwärmt. Ergibt sich die Gelegenheit, mehrere Öle zu verkosten, sollte man sie nutzen. Die Geschmackspapillen werden sich freuen!
Meine Tipps rund ums Olivenöl
Olivenölmesse in Triest, nächster Termin: 8.–10. März 2024
Die jährlich in Triest stattfindende Olivenölmesse vereint Hunderte von Olivenölproduzenten aus Italien und anderen Ländern unter einem Dach. Im revitalisierten Portovecchio hat man schöne Ausstellungsflächen geschaffen, die eine außergewöhnliche Kulisse für derartige Veranstaltungen bieten. Am besten, man kostet sich zuerst an der „Oil Bar“ mithilfe der Olivenöl-Sommeliers durch einen Teil des Angebots und vertieft sich danach bei den Ausstellern selbst. Einkaufen kann man auch hervorragende andere Olivenprodukte!
Olio Capitale, Porto Vecchio di Trieste, Centro Espositivo T.T.C., Magazzini 27/28/28 bis, 34100 Trieste
Ausgewählte Olivenölproduzenten in Friaul-Julisch Venetien
- Frantoio Rino Lizzi, Via Pellegrino da San Daniele 3, Frazione Pignano, 33030 Ragogna
- Azienda Agricola Corte Tomasin, Vicolo Levada 7, 33050 Castions di Strada
- Azienda Agricola Olio Ducale, Via Bottenicco 12, 33043 Cividale del Friuli
- Frantoio Oleario Parovel, Zona Artigianale Dolina 546, 34018 San Dorligo della Valle
- Azienda Agricola Sancin, Monte d’Oro/Mont 173, 34018 San Dorligo della Valle/Dolina
Fotos: Parovel (3), alle anderen: Nicole Richter. Verwendete Literatur: Dieter Richter, „Con gusto. Die kulinarische Geschichte der Italiensehnsucht“, 2021, Wagenbach