Weingarten Bruna Flaibani

Die Weinflüsterin von Cividale

Als Power-Woman-Show macht Bruna Flaibani in der Nähe von Cividale ungewöhnliche biodynamische Weine, die bisher Gekanntes auf den Kopf stellen.

Die Geräusche im Hügelland der Colli Orientali, ganz im Osten Friauls, sind anders als anderswo. Irgendwie gedämpfter. Die Welt scheint überhaupt eine andere hier. Sie ist grüner, natürlicher. Wälder und Weingärten wechseln sich ab, werden durchzogen von schmalen bis sehr schmalen Straßen. Rechts und links davon immer wieder Schilder, die zu bekannten Weingütern führen.

Kein Schild hingegen weist zu unserem heutigen Ziel, wir müssen schon genau hinschauen, um es zu erspähen. Kein imposanter oder durchdesignter Anhaltspunkt, der uns ins Auge springt. Ein wahrlicher Geheimtipp also. Auf einem großen alten Weinfass abseits der Straße steht dann doch: „Flaibani“. Etwas außerhalb von Cividale, in unmittelbarer Nähe zur slowenischen Grenze, treffen wir eine Frau, die am liebsten dort ist, „wo die Natur spricht“. Sie erwartet uns schon am Fuße ihres Weinreichs.

Zwei, die gerne kommunizieren, auch miteinander. So haben wir uns gefunden!

Von Bolognese zum Friulano

Bruna Flaibani, ein Bündel an (guten) Energien, hat ihrem Leben 2016 eine 180-Grad-Wende verpasst und sich als echtes Stadtkind der dauerhaften Frischluft verschrieben. Sie war mit Ehemann Maurizio und den Kindern von Bologna aus über 20 Jahre lang regelmäßig hierher gependelt, um die Familie in Friaul zu besuchen und den Schwiegervater im Weinbau tatkräftig zu unterstützen. Doch dann kam eines Tages die entscheidende Frage: „Wollt ihr hier weitermachen?“ Zum Glück aller Weingenießer sagte Bruna: „Ja!“, während Maurizio weiterhin beruflich fest in Bologna verankert blieb.

Bereits seit 2011 wird bei Flaibani biodynamischer Weinbau betrieben – die Zertifizierung für den biologischen Anbau erfolgte 2012. Und Bruna „Dinamica“ war in ihrem Element: Zunächst unterstützte sie die Familie im Verkauf, dann im Weinkeller, schließlich im Weingarten. Heute ist es umgekehrt: Sie ist die Weinmacherin, die im kleinen Familienbetrieb Unterstützung bekommt.

Für die Powerfrau sind ihre Weinstöcke, die teils zwischen 40 und 90 Jahre alt sind, die wahre „Power“. Kein Wunder, schenkt Bruna ihnen doch ihre grenzenlose Aufmerksamkeit. Sie schaut hin, sie beobachtet, wie sie es vom großen Lehrmeister der Biodynamik, Alex Podolinsky, höchstpersönlich gelernt hat. Zwei Mal hielt sich der Weltbürger mit deutschen und russischen Wurzeln, zu Hause in Australien, bei Bruna auf.


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Verbündete im Boden

„Schau, wie der Boden beschaffen ist!“ Ich schreite andächtig durch die Rebzeilen. „Der ist elastisch, der federt! Und das trotz siebzehn Weingartenbehandlungen mit dem Traktor letztes Jahr!“ Das Geheimnis lüftet Bruna sogleich: Mikroorganismen. Auch ich spüre sie ganz genau. Denn da ist nichts kompakt, nichts zusammengedrückt. Da ist Leben im Boden!

Ich bin mir sicher, Bruna spricht auch mit ihren Lieblingen, den Rebstöcken, sie horcht in sie hinein, da und dort wird eine Streicheleinheit dabei sein. Der Gesundheitszustand der Blätter sage mehr als tausend Worte, erzählt sie, die Frau, die merklich gerne kommuniziert. „Sie lassen mich erkennen, was ich zu tun habe, welche Strategie ich zu verfolgen habe in der Weingartenarbeit.“ Denn: „Wir arbeiten mit der Natur!“ Die Biodynamik ermöglicht vor allem, nichts hinzuzufügen. Wenn die Böden gesund sind, ist automatisch die Biodiversität gegeben. Da muss man nichts säen, damit es blüht.

Von den sechs Hektar Land der Azienda Agricola sind drei Hektar Weingärten. Was bei dieser kleinen Fläche und dem fabelhaften Alter der Weinstöcke herauskommt, lässt sich schon erahnen: hochqualitative Weine aus Handwerksproduktion.

Uralte Rebstöcke
Uralte Tocai-Rebstöcke im biologisch-biodynamisch bearbeiteten Weingarten

Die schöne Mutter

Bruna streift weiter durch ihre in guter alter friulanischer Tradition teils gemischt, also mit mehreren Rebsorten, bepflanzten Weingärten. Voller Hingabe dem Ruf ihrer Arbeit (oder eher: der Berufung) folgend. 10.000 Flaschen jährlich sind gezählte Maßarbeit, zwei Weiß- und fünf Rotweine hat sie in ihrem Repertoire. „Alle sind Kinder derselben Mutter, alle sind anders, aber gleich schön!“, sagt sie über Riviere, Schioppettino oder Cabernet Franc.

Der auf den ersten Blick ungewöhnlichste Wein (erlesen sind sie alle) ist ihr Pinot Grigio Ramato: Er kommt daher wie ein Orange Wine, ist aber keiner. 24 Stunden „auf den Schalen“, in denen der Traubensaft in Kontakt mit Schalen und Kernen bleibt, verleihen dem Weißwein, der ein solcher auch wieder nicht ist, einen intensiven Kupferton. Was für ein Schelm! Und dass bei diesem edlen Getränk nicht nur das Auge, sondern auch der Gaumen jubelt, ist spätestens nach dem ersten Schluck klar.

Und die Arbeit?, fragt man sich. Bringt nicht eine so naturnahe Bewirtschaftung und auch die Weinherstellung selbst, die übrigens zur Gänze biozertifiziert ist, unmäßig viel Aufwand mit sich? „Im Gegenteil!“, sprudelt es aus Bruna heraus. „Ich muss weniger tun, und seit wir so produzieren, haben wir Kosten von nur 48 Euro für Pflanzenschutzmittel – das 500er-Präparat – pro Jahr! Das heißt, Wein so herzustellen, ist auch ökonomisch nachhaltig, nicht nur ökologisch.“

Mit einem guten Gefühl denke ich an Alex Podolinsky und seine Weitsicht, durch die ihm klar wurde: Die nächste zu tätigende Handlung ist eine unerwartet unmögliche oder eine unmöglich unerwartete. In diesem Sinne: Nicht nur Bruna, sondern wir alle wissen, was wir für Mutter Erde zu tun haben! Evviva! – Auf das Leben!

Kontakt:

Bruna Flaibani, Società Agricola Flaibani, Loc. Casali Costa 7, 33043 Cividale del Friuli (UD)

Bruna Flaibani ist auch Teil der „Donne della Benečija“, einem Verein von zehn unternehmerischen Frauen in den Natisonetälern: www.ledonnedellabenecija.it

Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst am 7. Mai 2020 und wurde am 2.1.2024 zuletzt aktualisiert.

Fotos: Flaibani (4), Elena Roppa (1), Richter


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