Die typischste aller Kärntner Speisen? Für Süßschnäbel gibt es nur eine Antwort auf diese Frage. Und ihr „Verwendungszweck“ ist vielseitiger, als man vielleicht glauben möchte! Wir sprechen hier, ganz klar, vom Kärntner Reinling.
Der korrekte Name
Der Kärntner Reinling gehört zu Kärnten wie der Großglockner. Ein Urgestein, das aber zart und flaumig sein sollte. Angeblich bis ins 16. Jahrhundert lassen sich seine Wurzeln zurückverfolgen. Auch er kann, ähnlich den Kärntner Nudeln, durchaus Diskussionen auslösen. Zum Beispiel über seine korrekte Schreibweise: Mit oder ohne d – das ist hier die Frage.
Die Begründung, dass sein Name von der Rein kommt, also dem flachen runden Geschirr, in dem er gebacken wurde, und damit Reinling geschrieben wird, scheint logisch. Genau so wie jene, dass man in der verkleinerten Version vom Reindl spricht und folglich ein Reindling daraus wird. Wie auch immer, ein kleiner Buchstabe soll uns nicht am großen Genuss hindern.
Die einzig wahre Form
Was zumindest schlüssig aus diesen Überlegungen hervorgeht, ist seine ursprüngliche Form, die eben auch gerne „polarisiert“: Denn der Rein(d)ling hat, will man der Tradition folgen, keinesfalls ein Loch in der Mitte – wie es sich ergibt, wenn man eine gewöhnliche Gugelhupfform zum Backen nimmt.
Früher verwendete man außerdem das sogenannte Schartl, eine „flache Röstpfanne“, weshalb der Reinling in manchen Gegenden auch Schartl heißt – sogar bis ins italienische Kanaltal hinunter. Wieder modern, weil sie so schön sind und hervorragende Backergebnisse bringen, sind kunstvolle Formen aus Steinzeugton, die seit fast 40 Jahren in Handarbeit von Familie Polzer in Knappenberg hergestellt werden. So weit zum Äußeren.


Das süße Innenleben
Wie aber sehen nun die inneren Werte des Reinlings aus? Es handelt sich dabei um einen Kuchen aus Germteig (Hefeteig), der klassisch mit Zucker, Zimt, Rosinen, manchmal auch Kakaopulver und Walnüssen gefüllt wird. Zubereitet wird er üblicherweise aus Weizenmehl, einst verwendete man etwa auch Karobenmehl (Johannisbrotkernmehl). Der Germteig wird rechteckig ausgerollt, mit der Fülle bestreut, immer wieder mit reichlich Butter bestrichen und beträufelt, und letztendlich schneckenförmig in die Form gelegt und gebacken.
Die richtige Saison
Gegessen – und gekauft – werden kann der Reinling, der übrigens diesseits und jenseits der kärntnerisch-slowenischen Grenze Pohača heißt, heutzutage zu jeder Jahreszeit. Beliebt als Nachspeise oder zum Kaffee oder zwischendurch, in jedem Fall aber ist er traditionell ein Fixstarter bei der Kärntner Osterjause.
Wer es nicht glauben kann, muss es probieren: Mit großer Hingabe wird zu feinem Schinken oder Geselchtem, zu Selchwürsten (die dann Osterwürste heißen), gekochter Zunge von Rind, Kalb oder Schwein, frisch geriebenem Kren, hart gekochten gefärbten Eiern und noch einigem mehr – der süße Reinling verspeist. Manche sparen allerdings bei der Zubereitung des Osterreinlings etwas an Zucker und Rosinen ein, damit er nicht ganz so „picksüß“ ist.




Symbol gelebter Tradition
Dennoch, diese außergewöhnliche Kombination begeistert seit Generationen so sehr, dass ausgewanderte Kärntner (und oft deren Freundeskreis!) sich genau diese Osterjause, also mitsamt Reinling, von der Familie oder gar per Onlineshop in die ganze Welt bestellen: Sie können ohne ihn nicht sein. Er ist geradezu ein Kultobjekt geworden. Oder auch: Gelebte Tradition!
Der Reinling spielt in Kärnten aber nicht nur in der Osterzeit eine tragende Rolle. Ein extravagantes, aber auch harmonisches Duo stellen der Reinling und die Villacher Kirchtagssuppe dar. Die durchaus elegante Suppe wird äußerst aufwendig mit vier oder fünf Sorten Fleisch gekocht und mit Safran und Zimt gewürzt. Beim großen Villacher Kirchtag, der alljährlich in der ersten Augustwoche stattfindet, gibt es ein Match darum, welcher Wirt die beste Suppe zubereitet. Stets an ihrer Seite: der süße Begleiter.
Die engere Verwandtschaft
Die Kärntner Küche ist bekanntlich ein Schmelztiegel mehrerer Kulturkreise, denn sie hat germanische, römische und slawische Einflüsse. Und so gibt es südlich der österreichischen Landesgrenzen liebe Verwandte des Reinlings: die Potica und die Gibanica in Slowenien und die Gubana in Friaul-Julisch Venetien.
Auch diese beiden waren in ihrem Ursprung ein begehrtes Festtagsgebäck, welches heute aber das ganze Jahr über verwöhnte Gaumen erfreut. Und wie beim Reinling – oder eben Reindling – haben Beschützer echter (kulinarischer) Werte ein Auge auf die Alpen-Adria-Großfamilie der gefüllten Kuchen: In ihrer überlieferten und genau festgelegten Zubereitungsart sollen diese traditionellen Speisen auch für die nächsten Generationen erhalten bleiben.



Das Rezept: Original Kärntner Reinling

Original Kärntner Reinling
Aus dem Kochbuch-Klassiker „Kärntner Küche“ von Willi Tschemernjak
Buchempfehlungen
Kärntner Küche. Die klassischen Rezepte. Willi Tschemernjak, Styria Verlag.
50 Dinge, die ein Kärntner getan haben muss, Claudia Lux und Nicole Richter, Styria Verlag. Überraschendes, Abenteuerliches und Unerhaltsames für „Eingeborene“ und Kärnten-Fans.
Bezugsquelle
Handgetöpferte Reinlingformen (und andere hochwertige Töpferware). Keramik Polzer, Knappenberg 31, 9376 Knappenberg.
Fotos: Amerigo Dorbolò Uek (1), www.slovenia.info/Tomo Jesnicnik (2), Polzer (1), alle anderen: Richter
Der Beitrag wurde erstmals am 27. März 2021 veröffentlicht. Letzte Überarbeitung: