Tagliamento und Karnische Alpen

Genießen und entdecken: Die besten Plätze am Tagliamento

Mit dem Tagliamento-Insider und Autor Werner Freudenberger habe ich mich auf Entdeckungstour zum Tagliamento begeben. Sein spezieller Blick auf das „große Ganze“ macht neugierig – und das Eintauchen in die Natur hungrig auf die kulinarischen Schätze, die einen erwarten.

Der Tagliamento – kann man ihn überhaupt in der Einzahl denken? Er ist viele! Ein Fluss, der ständig sein Gesicht wechselt: zwischen Quelle und Mündung, Sommer und Winter, von einem Tag auf den anderen, je nach Wetterlaune. Einer, der ihm in all seinen Facetten begegnet ist, weil er sich dem Tagliamento seit Jahren widmet, ist Werner Freudenberger.

Der Kärntner – jahrzehntelang Dokumentarfilmer für das Fernsehen – hat sich besonders als Buchautor mit dem „König der Alpenflüsse“, wie der Tagliamento ehrfurchtsvoll genannt wird, auseinandergesetzt.

Natur und Genuss verbinden

Weil Werner und mich die Begeisterung für die nordöstlichste Region Italiens, Friaul-Julisch Venetien, schon lange verbindet, haben wir uns für einen Tag gemeinsam auf den Weg gemacht: Zu den Lieblingsplätzen des Tagliamento-Experten.

Mehr oder weniger hat er sein Leben immer irgendwo an Flüssen verbracht, erzählt er. Schon als Kind zog es ihn magisch dorthin: Werners Schulweg führte durch den Drau-Auwald, nachmittags ging er mit dem Onkel zum Fliegenfischen.

Ich selbst verbinde das Wandern, das Streifen durch die Natur, besonders gerne mit dem Entdecken wild wachsender Lebensmittel – und natürlich mit der Suche nach neuen kulinarischen Geheimtipps und Lieblingsorten.

Auf dem Weg in den Süden

Wie viele Reisende, die durch das Kanal- und das Eisental Richtung Süden brausen, war auch Werner immer wieder fasziniert vom Anblick des weiten Flussbetts. Zuerst jenes der Fella, und ab der Gegend um Carnia jenes des Tagliamento. Doch – das gibt er offen zu – es war nicht Liebe auf den ersten Blick. Eher die mystische Anziehung einer Landschaft, die bei grauem Himmel und an manchen Stellen einen eher uncharmanten Gedanken aufkommen lässt: Wie öd!

Doch genau dieser Gedanke weckte dann die Neugier: Werner wollte wissen, ob der markante, helle Schottereinschnitt zwischen den Erhebungen der Karnischen Alpen nicht doch Interessantes bergen könnte. Und so begann er, der Sache auf den Grund zu gehen. 


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Die Madonna beim Badeplatz

Auch wir lassen uns heute nicht beirren – bei feinem Regen nähern wir uns dem ersten Ziel, das als romantische Hochzeitslocation bekannt ist: das historisch bedeutende Langobarden-Kirchlein Madonna del Ponte in Invillino. Ein wenig versteckt im Wald und unmittelbar am Tagliamento gelegen, steht es meist verschlossen da. Still und zurückhaltend.

Kurz zuvor, am Parkplatz, ein Brunnen mit kurzem Schlauchstück. Hierher kommen die Menschen, um sich Wasser in Kanister abzufüllen – angeblich besser als jenes, das sonst aus den Hähnen der 2000-Seelen-Gemeinde Villa Santina fließt.

In Sichtweite spannt sich eine dunkelgraue Steinbogenbrücke über den Fluss – sie führt ans andere Ufer, von wo aus wir ins trockene Flussbett hinabsteigen. Steinesammler sollen hier häufig unterwegs sein: Sie nehmen sich die bunten, bis zu 400 Millionen Jahre alten Kreationen der Natur gerne mit nach Hause. Ob das immer noch erlaubt ist? Ich muss an das Muschelsammelverbot an Italiens Stränden denken. Apropos: Im Moment scheint es kaum vorstellbar, doch im Sommer ist genau diese Stelle ein beliebter Badeplatz. „So wenig Wasser habe ich hier noch nie gesehen“, sagt Werner.

Der majestätische Zusammenfluss

An unserem nächsten Ziel – Amaro – befindet sich der Zusammenfluss von Fella und Tagliamento. Dort treffen wir die Corpo Forestale („Forstpolizei“): Im Auto ziehen sie eine Kontrollrunde, vorbei an den meterhohen Schotterbergen eines Abbaubetriebs, am Flussufer entlang. Sie kennen wohl die Angewohnheit mancher Offroad-Freaks, übrigens auch mit österreichischem Kennzeichen, das Gebiet als „Teststrecke“ zu benutzen.

Wandert man weiter Richtung Fluss, er ist heute nur zart in der Ferne zu erkennen, glaubt man sich im Niemandsland. Rundherum nichts als Berge – auf der einen Seite der Monte San Simeone, auf der anderen der Monte Amariana – und sonst vor allem: Schotter. Umgekehrt sieht man den Platz, so der Experte, weder von der Autobahn noch vom Zug aus. „Archaisch“, nennt es Werner. „Seit 12.000 Jahren, also seit der letzten Eiszeit, ist es hier immer gleich.“

Ein Fall für die Wissenschaft

Der Tagliamento ist ein besonderer Fall und deshalb Forschungsfeld mehrerer Disziplinen. Zu seinen Eigenheiten gehört, dass ein Gutteil seiner Lebensräume für Pflanzen und Tiere regelmäßig verschwindet – und auf andere Weise wiederkehrt. Und dann fließt er teilweise sogar unterirdisch und noch dazu in mehreren Schichten! Kaum meint man, etwas „verstanden“ zu haben, ist schon wieder alles anders. Ein Schlingel, der König.

Von Stille bis Highlife

Auf zu einem weiteren majestätischen Ort: Weiter südlich, in Braulins, zeigt sich endlich die wahre Kraft des Flusses. An mehreren Stellen wirbelt und rauscht es, tiefere Tümpel wechseln mit flacheren Abschnitten. Das glasklare Wasser, von helltürkis bis smaragdgrün, wirkt absolut verlockend und macht Lust darauf, wenigstens die Zehen hineinzutauchen.

Rundum Idylle – noch, wie man mir sagt, denn in der wärmeren Jahreszeit regiert hier das Highlife. Sitzmöglichkeiten und Verpflegungsbuden sorgen für chilliges Sommerfeeling, gleich daneben wird gebadet. Ideal für jene, die kühle Wassertemperaturen lieben.

Flusslandschaften werden auch in Friaul-Julisch Venetien seit einigen Jahren immer beliebter. Die Menschen suchen nach naturnahen Erholungs- und Erlebnisräumen. „Ein Fluss spricht alle Sinne an“, sagt Werner. „Man riecht ihn, man hört ihn, man spürt ihn – allein schon durch die Luftfeuchtigkeit auf der Haut …“

Kurzer Aufstieg für den Ausblick

Von unserem Ausgangspunkt am Parkplatz ist noch nichts zu erkennen von dem, was mir mein heutiger Guide außerdem noch als lohnenswert ankündigt. Zwischen den Häusern des kleinen Dorfs suchen wir auf schmalen Wegen nach einem Aufstieg. Und da ist er: Ein Pfad, der bergwärts führt – die Chiesetta, wie das Schild verrät, meint das Kirchlein San Michele dei Pagani.

Die steinigen Serpentinen sind gesäumt von vielfältiger Flora. Beim Reden und Gehen geraten wir etwas außer Atem – doch schon nach wenigen Minuten taucht es plötzlich auf: das Kirchlein, in kräftigem Rot, schutzbedürftig unter die Felswand geschmiegt. Rechts und links über ihm hängen bunt gekleidete Kletterer in der Wand.

Doch unser Blick wendet sich nach vorne: Die Aussicht ist einzigartig – wie an einigen anderen Stellen des Tagliamento auch. Hier reicht sie über das unglaublich breite Flussbett bis zum Monte Glemine hinter Gemona.

Arrivederci, Tagliamento!

Nach unserer Tour wird mir klar: Der Tagliamento vermittelt vor allem eines – Freiheit. Und wie schwer es ist, zu entscheiden, ob man ihn lieber aus der Höhe bewundert oder ihm ganz nah kommt.

Außerdem ist er jedes Mal ein anderer, das macht ihn so reizvoll. Selbst wer seine Lieblingsstelle gefunden hat, kann sicher sein: Beim nächsten Besuch hält der Fluss wieder eine kleine Überraschung bereit. Ich werde also wiederkommen – auf der Suche nach dem, was er mir als Nächstes zeigen will.


Meine persönlichen Tagliamento-Tipps

Genussadressen Tagliamento

  • La Buteghe di Pierute, Via Damarie, 33028 Illegio
    Edel-rustikal speisen. Illegio, ein idyllisches Dorf nahe Tolmezzo auf einem Plateau gelegen, hat sich durch besondere Kunstausstellungen einen Namen gemacht. Aber es überrascht auch kulinarisch: In einer Kurve an der (schmalen) Hauptstraße liegt ein charmantes Haus mit Sichtsteinmauern und Holzverzierung. Drinnen wartet ein liebevoll dekoriertes Restaurant mit rustikalem Ambiente – und einer makellosen Tischkultur. Die Speisekarte ist typisch karnisch, aber mit modernem Twist und variiert je nach Jahreszeit. Ein Ort zum Wohlfühlen, den viele schätzen – daher der Tipp: rechtzeitig reservieren!

  • Frantoio Rino Lizzi, Via Pellegrino da San Daniele 3, Frazione Pignano, 33030 Ragogna
    Viel Wissen um die Tradition. In Ragogna, im sogenannten Moränen-Amphitheater des Tagliamento, begann Rino Lizzi in den 1990er-Jahren Olivenbäume anzupflanzen – nachdem er in Pension gegangen war. Er errichtete sogar seine eigene Mühle mit Kaltpressanlage. Im Familienbetrieb gedeihen heute unter anderem die Sorten Bianchera, Frantoio, Grignano, Leccino, Maurino und Pendolino.
    Bei der Pressung werden die Kerne nicht entfernt, weil auch das letzte Stück Fruchtfleisch, das am Kern hängt, wichtig ist, betont Rino. „So haben es schon die Alten gemacht.“ Das nur wenig filtrierte Olivenöl ist intensiv grün, voll und strukturiert, reich an Polyphenolen. Es hat ein fruchtiges Aroma, im Abgang ist es bitter und leicht scharf.

  • Le 3 Cich Gourmet, Corso Roma 34, 33097 Spilimbergo
    Ein Stück vom Paradies zu kaufen. Am Corso Roma in Spilimbergo gibt es einige Verlockungen wie Pasticceria, Macelleria und Cocktailbar. Und wie ein Stück vom Paradies verlockt dieser Delikatessenladen. Auf wenigen Quadratmetern vereinen sich feinste Marmeladen und Destillate, Konfekt, handgemachte Grissini. Dazu reihen sich Weine und Schaumweine aus Friaul und der Franciacorta aneinander, auch Champagner gibt es. In der Vitrine mehrere Schinken, hausgemachte Polpette und noch viel mehr. Wer Lust hat, kann gleich einen Aperitivo nehmen und etwas vom Guten kosten.

Modeano, Via Casali Modeano 1, 33056 Palazzolo dello Stella
Friulanische Weinvielfalt. Die Villa Bertuzzi-Ferrari, Sitz des Weinguts, befindet sich inmitten eines schönen Parks, rundherum 32 Hektar Rebflächen. Der schicke Weinshop macht Gusto, zum Beispiel auf den Ribolla Gialla Brut Àvril. Der Spumante wird nach Charmat-Methode hergestellt und erinnert an das „Aufblühen“ im April: wie eine frische Brise mit Frühlingsdüften. Besonders gut kommen die Zitrusnoten der Rebsorte hervor. Bemerkenswert ist auch der rubinrote Penǧ, ein Refosco, der 18 Monate im Tonneau ausgebaut wird – und Power ins Glas bringt.



Battista II, Via Lignano Sabbiadoro 16, 33050 Pertegada di Latisana
Ein Kundenwunsch als Inspiration. Das gepflegte Weingut an der Strada Statale auf dem Weg nach Lignano hat eine praktische Lage für alle An- und Abreisenden. Im Verkaufsshop gibt es Weine aus 12 verschiedenen Rebsorten! Die wachsen auf 25 Hektar, erzählt Winzer Mauro Lorenzonetto. In den Regalen entdeckt man sogar Wermut, Liköre und Bier.
Eine Besonderheit ist auch der Schioppettino Spumante. Kunden aus Deutschland und Österreich fragten einst bei ihm nach – Lambrusco. „Ich bin doch kein Supermarkt“, sagte er. Später begann er, den autochthonen Roten zu versekten – mit Erfolg! Wohl einzigartig in der Region.

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Fotos: Werner Freudenberger (4), alle anderen: Nicole Richter

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