Ein Plädoyer für mehr Genuss

Über den Genuss per se zu schreiben, ist für mich als erklärte Genießerin ein Vergnügen. Aber auch gar nicht so leicht – das Thema ist so vielfältig. Daher: wo anfangen? Ich bin dafür, das Thema aus einer alltäglichen Perspektive zu betrachten. Das ist, was für mich am wichtigsten und sinnvollsten ist. Nichts Abgehobenes, nichts Elaboriertes.

Was bedeutet Genuss?

Genuss ist für mich persönlich der Überbegriff von Lebensfreude, Muße und Aufmerksamkeit. Er ist eine Lebenseinstellung und umfasst praktisch alle Bereiche. Es geht nicht nur um Essen und Trinken oder gar Konsumieren. Genießen heißt auch, kein unnötiges Verschwenden und ein bewusster Umgang mit Ressourcen – unseren eigenen wie auch denen um uns herum. Dazu gehören Menschlichkeit, Handschlagqualität, Ehrlichkeit – Werte, die ich für unverzichtbar halte.

Der Genuss des Südens

Wenn ich über den Genuss spreche und vor allem schreibe, finde ich mich gedanklich, aber oft auch physisch im Süden wieder. Natürlich, jeder hat eine andere Vorstellung von Süden. Für mich gilt – ganz im Sinne des Schweizer Schriftstellers Ivo Camartin: Jeder braucht seinen Süden.

Meist ist es der „nahe Süden“, ausgehend von meinem Lebensmittelpunkt im Alpen-Adria-Raum, genauer: Kärnten und Friaul-Julisch Venetien. Das Leben inmitten zweier Kulturen ist ein kleines Abenteuer – ein Spannungsfeld, eine Schnittmenge zwischen Österreich und Italien. So nah und doch so unterschiedlich.

Das Changieren zwischen alpiner und mediterraner Lebensart zeigt die Unterschiede zwischen einer eher individualistischen (Österreich) und einer kollektivistischen (Italien) Gesellschaft. Mehr „draußen“ leben, ausgehen, Zeit mit Freunden und Familie verbringen, um zu genießen – all das ist ein Spiegelbild der inneren Haltung.

Lebensfreude im Alltag

Wie sinnlich ist es, in südländischen Gassen den Duft frisch zubereiteten Essens wahrzunehmen, und natürlich den anregenden Kaffeeduft in italienischen Bars. Das eifrige Tassengeklapper, die Zurufe zwischen Bedienung und Stammgästen – all das macht Genuss lebendig.

Selbst im Alltag lässt sich feiern, nämlich das Leben! Mit einem Glas Wein nach der Arbeit, im Lieblingslokal mit ein paar Freunden, auch wenn nur wenig Zeit ist. In Italien kennen wir die Kultur des Tajut (in Friaul-Julisch Venetien), der Ombra (in Venedig und Venetien) – oder des Aperitivo.

Wein wird dabei üblicherweise nicht „hinuntergestürzt“, sondern bewusst genossen. Und: Er begleitet die Menschheit seit rund 8000 Jahren, schon in biblischen Texten steht er für Freude, Feiern, Gemeinschaft und Lebendigkeit – aber ebenso für Maßhalten und Achtsamkeit.

Die andere Esskultur

Die gelebte Gemeinsamkeit im Süden, geprägt vom Teilen und von der Großzügigkeit, beeindruckt mich und ist Vorbild für ein gutes Leben – etwa in Italien oder Griechenland. Emotionen werden offen gelebt, über Essen und Trinken wird mit Hingabe gesprochen, geradezu philosophiert.

Soeben erst ist die italienische Küche zum Unesco-Welterbe erklärt worden. Ein Grund zum Jubeln in Italien. Dabei geht es um die alltägliche Küche, um die Vielfalt innerhalb von Familien, Orten, Regionen. Zentraler Punkt der Initiatoren war die Rolle der cucina italiana als „Gemeinschaftsprojekt“: Die Fertigkeiten, das Wissen, die Traditionen verbinden die Menschen – früher und heute genauso.

Über das Gleichgewicht im Genuss

In vielen Kulturen, historisch wie aktuell, hat Genuss etwas Ganzheitliches. Nie geht es um Übermaß, sondern um Balance. Schon die antiken Griechen wie auch die modernen Franzosen sehen den Sinn in einem guten Leben, das glücklich macht und nährt.

Die kleinen Freuden im Alltag schaffen den Unterschied zu einem rein funktionalen Leben. Dabei geht es um Lebenskunst: zwischendurch alles loslassen, durchatmen und den Moment bei einem Kaffee, einem Glas Wein oder gutem, vielleicht selbstgekochten Essen genießen. Innehalten.

Den Moment zelebrieren

Gerade deshalb plädiere ich dafür, dass wir wache Genießer:innen bleiben (oder werden), und nicht nur „Konsument:innen“ sind. Wir können unserem Körper nichts Besseres tun, als ihm Gutes zu geben: hochwertige Lebens- und Genussmittel vom Produzenten in der Nähe. Und in Gemeinschaft mit anderen bekommen „Essen und Trinken“ noch einmal mehr Wert. Wie schön ist es, mit Freunden oder Familie bei Tisch zu sitzen. Ausgelassen zu sein, herrlich!

Das Leben verändert sich, sobald Genuss bewusst Raum bekommt. Wer sich die Zeit nimmt, den Moment zu zelebrieren, erlebt ihn intensiver und wahrer – und findet darin zurück zu sich selbst. In diesem Sinne: fröhliches Entdecken und Erschließen neuer Welten!


Wie siehst du das?
Lass gerne deinen freundlichen Kommentar da!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert